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15.12.1939: Der Film „Vom Winde verweht“ feiert Premiere

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Christiane Kopka

Das Bürgerkriegsepos „Vom Winde verweht“ präsentiert den Süden der USA als heitere Sklaven-Idylle, in der die weißen Herren als noble Philanthropen und die Schwarzen als minderbemittelte Wesen erscheinen.

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1939 der teuerste Film aller Zeiten

Die verschlafene Südstaatenmetropole Atlanta ist schier aus dem Häuschen, als am 15. Dezember 1939 die Stars aus Hollywood eintreffen. Tausende von Menschen fiebern einem historischen Ereignis entgegen – der Uraufführung des Films „Vom Winde verweht“.

Vom Winde verweht, Premiere in Atlanta (Foto: IMAGO, imago images / Everett Collection)
Zur rauschenden Premierenfeier sind die Schwarzen Darstellenden nicht willkommen.

Das Technicolor-Epos ist der teuerste, aufwendigste, längste und spektakulärste Film, den Hollywood bis dahin produziert hat. Zwar soll es auch Menschen geben, die ihn für die schnulzigste Schnulze aller Zeiten halten. Doch an diesem Abend vor 81 Jahren trifft die dramatische Liebesgeschichte von Scarlett O’Hara und Rhett Butler ins Herz des Südens.

Heitere Sklavenidylle auf der Leinwand

Nicht eingeladen zur glanzvollen Premiere sind alle schwarzen Mitwirkenden. In Städten wie Atlanta herrscht 1939 strikte Rassentrennung. Ins Grand Theatre dürfen nur Weiße.

„Vom Winde verweht“ präsentiert ihnen eine heitere SklavenIdylle, in der die weißen Herren als noble Philanthropen und die Schwarzen als drollige etwas minderbemittelte Witzfiguren erscheinen.

Protest schon bei den Dreharbeiten

Schon während der Dreharbeiten hatten sich schwarze Bürgerrechtler bei Produzent David O. Selznick über den Rassismus in der Romanvorlage Margaret Mitchells beschwert. Selznick versprach, das Buch zu entschärfen – was nur bedingt gelang.

„Der Kultstatus des Films ist so außergewöhnlich, dass viele Zuschauer die rassistischen Elemente kaum wahrnehmen.“

„Trotz Selznicks Versprechen bleibt der Film Mitchells Roman treu, der die Vorkriegs-Südstaaten als eine Welt voller Anmut und Schönheit zeigt, ohne das grausame System der Sklaverei darzustellen, auf dem diese Gesellschaft basiert“, sagt die Filmhistorikerin Jacqueline Stewart in ihrer Einführung zum Film bei HBO.

Film verharmlost Sklaverei

Für Stewart hat „Vom Winde verweht“ einen ungeheuren Einfluss darauf, wie sich Generationen von Menschen weltweit die Sklaverei und die Zeit nach dem Bürgerkrieg vorgestellt haben. Deshalb sei es wichtig, den Film heute bewusst zu sehen.

„Der Stil, die Handlung und der Kultstatus des Films sind so außergewöhnlich, dass viele Zuschauer die rassistischen Elemente kaum wahrnehmen“, sagt sie.

Rassismus in Hollywood

Wer sich also fragt, warum der Rassismus im heutigen Amerika so tief verwurzelt ist, findet die Antwort auch in „Vom Winde verweht“. Das gilt allerdings nicht nur für diesen Film: Über Jahrzehnte durften Schwarze in Hollywood ausschließlich Sklaven und Hausangestellte spielen.

Der Hollywood-Film "Vom Winde verweht" (Foto: IMAGO, United Archives)
Hattie McDaniel (rechts) und Vivien Leigh

Wie die Traumfabrik mit ihnen umsprang, zeigt das Beispiel Hattie McDaniels, der wunderbaren Darstellerin der Mammy in „Vom Winde verweht“. Die Schauspielerin musste in ihrem Leben insgesamt 74 Dienstbotenfiguren darstellen.

Oscar-Preisträgerin in die Ecke verbannt

Die Bürgerrechtsbewegung kritisierte ihre Rolle in „Vom Winde verweht“ schon 1939. „Mammyismus“ avancierte zum Schimpfwort. 1940 erhielt Hattie McDaniel für die Rolle der Mammy als erste Schwarze einen Oscar.

Bei der Preisverleihung im Coconut Grove in Los Angeles durfte sie jedoch nicht neben den anderen Stars an der Gala-Tafel sitzen. Die Oscar-Preisträgerin wurde an einen Katzentisch in einer abgelegenen Ecke verbannt.

Romanvorlage von Margaret Mitchell

Gespräch Vom Wind verweht: Andreas Nohl über die Neuübersetzung des Literatur-Klassikers

Andreas Nohl und seine Frau Liat Himmelheber haben den US-amerikanischen Literatur-Klassiker von Margaret Mitchell für den Kunstmann-Verlag neu übersetzt.

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