10 Jahre ARD radiofeature

Der Autor Tom Schimmeck zu seiner Recherche

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AUTOR/IN
Tom Schimmeck

Ausgezeichnet mit dem Alternativen Medienpreis 2020.
Eine der Gespächspartnerinnen ist die philippinische Journalistin und Friedensnobelpreisträgerin 2021 Maria Ressa.

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"Der Wahrheit verpflichtet" – den Satz könnte sich wohl jeder Journalist über den Schreibtisch hängen. Uns Rundfunkjournalisten erinnert er auch an die Entstehungsgeschichte des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland.

Er wurde nach Weltkrieg und Nazi-Barbarei geschaffen, um sicherzustellen, dass nie wieder ein Führer und seine Gefolgsleute bestimmen können, was wahr ist.

Die Suche nach der Wahrheit ist ein Annäherungsversuch – gerade deshalb ist sie nicht beliebig

Ich durfte und darf an vielen Orten der Welt in den unterschiedlichsten Situationen erleben, wie schwer es oft ist, der Wahrheit auch nur nahe zu kommen. Die Suche nach ihr bleibt ein ewiger Annäherungsversuch.

Ein Journalist, so fleißig er auch liest, reist, nachfragt und recherchiert, wird immer nur einen kleinen Bruchteil der Wirklichkeit erfassen, aus denen er Wahrheit destilliert. Und immer nur einen Bruchteil seiner Erkenntnisse und Erlebnisse weitertragen können.

Entscheidend ist, denke ich, dass er stets versucht, möglichst viel in Erfahrung bringen und bei Auswahl, Beschreibung und Analyse möglichst offen und redlich zu bleiben.

Journalisten erzählen, wie sie um die Wahrheit ringen

Was ist Wahrheit? Für das Feature habe ich vielen Kolleginnen und Kollegen aus aller Welt diese Frage gestellt. Die Antworten fielen höchst unterschiedlich aus, je nach Lebenssituation, Erfahrungshorizont und Temperament. Mal tiefsinnig, mal flapsig, manchmal philosophisch, oft eher praktisch.

"Wahrheit ist, wenn du friedlich ins Bett gehst, nachdem du gesagt hast, was zu sagen war"

Interessant war vor allem, was diese Kollegen über ihren immer härter werdenden Kampf um die Wahrheit erzählen. Sie sind im Feature zu hören. Die wichtigsten Interviews stellen wir in voller Länge online.

Das Ziel von Fake-News: Vertrauen zerstören

Wir leben in einer Welt, in der Fakten zunehmend in Zweifel gezogen werden. Das ist bei uns in Deutschland meist nur ärgerlich, anderswo aber schon eine Sache auf Leben und Tod. Das Internet hat völlig neue Möglichkeiten der Desinformation und Propaganda geschaffen.

Dubiose Quellen, Trollarmeen und automatisierte Bots verhöhnen und attackieren im Auftrag mächtiger Akteure besonnene und kritische Stimmen. Es geht ihnen meist gar nicht mehr darum, das Publikum von irgendeiner Lüge zu überzeugen, sondern Vertrauen zu zerstören. Bis niemand mehr irgendetwas glaubt. So zerstört man die Demokratie.

Eine Sendung in eigener Sache

Es ist ein Feature in eigener Sache. Eine Hausmitteilung, eine Wasserstandsmeldung. Deshalb klingt es ganz anders als Radiofeature (auch von mir) sonst so klingen. Weniger glatt und durchkomponiert.

Bewusst habe ich auf Emotionen und dramaturgische Effekte verzichtet. Das Feature ist eine Baustelle, eine Arbeit, die wie die Suche nach Wahrheit nie „fertig“ sein wird. Es spiegelt auch meine (und unsere?) Verunsicherung.

Obwohl ich mich seit Jahren mit Fakes, Meinungsmache und Cyberkrieg, mit Autokraten und den neuen Mediengiganten des Silicon Valley beschäftige, habe ich viel mehr Fragen als Antworten.

Die Rolle des Journalisten verändert sich

Der "Machtverlust des Journalismus", wie es im Untertitel heißt, ist ein Phänomen, dessen Folgen wir Journalisten erst allmählich begreifen. Die "Lügenpresse"-Rufe sind dabei nur ein Aspekt.

Natürlich ist uns nicht entgangen, dass wir vielerorts unsere Rolle als Gatekeeper verlieren, die sich ein eigenes Bild machen und Zusammenhänge herstellen; die nachhaken, Fakten überprüfen und überlegen, welche der vielen Tausend täglichen Nachrichten für unser Publikum wirklich relevant sind.

Ministerien und Parteien, Banken und Konzerne, Armeen und Polizeien, Sportler und Stars kommunizieren längst ohne uns mit der Öffentlichkeit. Und machen dabei mitunter mächtig Lärm.

Die wichtigen Aspekte zusammengetragen

Es ist ein Riesenthema. Eines, über das man locker ein zehnbändiges Werk füllen könnte. Ich habe versucht, wichtige Aspekte zusammenzutragen und das ganze möglichst global zu erzählen. Vom Alltag in der Tagesschau-Redaktion bis zu den haarsträubenden Geschehnissen auf den Philippinen.

Ich wünsche Ihnen – und das ist nicht ironisch gemeint – viel Spaß und ein paar Erkenntnisse beim Hören.

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Machen Verschwörungstheorien sich selbständig? Michael Lissek, Autor der SWR-Serie „Akte 88“, geht diesem Phänomen nach.

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