Die Premiere von Tristan und Isolde am Nationaltheater Mannheim musste schon einmal wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Umso enttäuschender war die mit Spannung erwartete Aufführung am 14. November für SWR2-Opernredakteur Bernd Künzig.
Luise Kautz inszenierte die metaphysische Handlung trivial – als englischen Sittenroman aus dem 19. Jahrhundert. Zudem sorgte der Dirigent Alexander Soddy nicht für eine klangliche Balance: Isoldes Schlussmonolog sei kaum zu hören gewesen. Einzig Julia Faylenbogen als Brangäne und Patrik Zielke als König Marke überzeugten stimmlich.
Impressionen von der Inszenierung

Nach dem Flug durchs All Landung im bürgerlich möblierten Schiffsbauch
Der Urknall gebiert kosmischen Nebel, aus dem Sterne und Galaxien in den Raum schießen. Die Videoprojektion während des Vorspiels zu Richard Wagners „Tristan und Isolde“ am Nationaltheater Mannheim scheint die Tragödie des liebenden Paares zu einem Weltendrama zu machen.
Doch als sich der Vorhang hebt, landet man nach diesem Flug durchs All in einem bürgerlich möblierten Schiffsbauch, im Boudoir von Isolde, die von Tristan aus Irland nach Cornwall überführt wird, wo sie mit seinem Oheim Marke vermählt werden soll. Mit ihrer Dienerin Brangäne als Gouvernante sieht sie aus wie ein Backfisch auf der Grand Tour nach Europa, als sei Wagners metaphysische Handlung in drei Akten nicht eine „amour fou“, sondern doch nur ein englischer Sittenroman aus dem 19. Jahrhundert.

Optisch erinnert das jedenfalls mehr an den Film „Zimmer mit Aussicht“ als an die „Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“, für die dem Philosophen Friedrich Nietzsche Wagners Musikdrama als Vorbild diente.
Zwischen irdischem Realismus und kosmischem Nebelfilm
Im zweiten Akt dann ein nächtliches Parkbild mit Picknickkissen, einem mit Trauben gefülltem Korb, Sektkelchen, Sitzecke und einer Schaukel, auf die sich Isolde wie Fontanes Effi Briest bei der großen Klage des gekränkten König Marke platziert.
So richtig traut die Regisseurin Luise Kautz dem von Lani Tran-Duc gestalteten Realismus dann doch nicht und lässt zum großen Liebesduett im zweiten Akt wieder den kosmischen Nebelfilm ablaufen, in dem die Liebenden wie Raumkörper zu schweben scheinen, dem allzu Irdischen enthoben.
Isoldes Liebestod verharrt in an der Rampe gesungener Hilflosigkeit
In der Tat ist diesem musikalischen Rausch und der Klangekstase mit verkleinerndem Realismus kaum beizukommen. Das stets Rätsel aufgebende Ende mit Isoldes Verklärung, gerne als Liebestod bezeichnet, verharrt in an der Rampe gesungener Hilflosigkeit. Dass Isolde zum Schlussakkord nicht so richtig weiß, wie sie sich denn nun zum Sterben legen soll, tut ein Übriges. Die „Krankheit zum Tode“ in dieser Oper, bei der das Liebespaar Erfüllung und Befriedigung nur im nächtlichen Sterben findet, scheint hier doch eher ein vorüberziehendes Ereignis im kosmischen Geschehen zu sein.
Stimmlich ist Isoldes Schlussmonolog kaum zu hören, das Orchester deckt ihn einfach zu. Allison Oakes hat Mühe mit den tiefen Lagen, die Spitzentöne kommen oft forciert. Noch angestrengter wirkt der Tristan Frank von Akens mit seiner vibratolastigen Stimme ab dem zweiten Akt, sein langer Todeskampf des dritten Aktes ist mehr gesprochen als gesungen.

Eine ausgereifte Rollengestaltung bietet nur Patrick Zielke als König Marke
Julia Faylenbogen singt die Brangäne mit Wärme und schöner Klarheit und widerspricht erfolgreich ihrem von der Regie verordneten gouvernantenhaften Erscheinungsbild. Eine wirklich ausgereifte Rollengestaltung bietet allein Patrick Zielke als wahrhaft existentiell leidender, betrogener König Marke.
Mit vorwiegend getragenen Tempi gestaltet Alexander Soddy am Pult des Orchesters „Tristan und Isolde“ die hitzige Ekstase des Klangrauschs. Das Fundament der braungetönten Holzbläserklänge bindet er wunderbar in das samtene Klangbett der Streicher ein.
Feier für GMD und Orchester, Buhs für Isolde und das Regieteam
Die Balance zwischen Bühne und Graben schlägt zugunsten des Orchesters aus. Allerdings stellt sich die Frage, ob eine Oper fast nahezu aus dem Geschehen im Graben geformt werden kann. Das Publikum jedenfalls feiert den Generalmusikdirektor mit seinem Orchester des Mannheimer Nationaltheaters, die Isolde der Allison Oakes und das Regieteam müssen einige Buhs einstecken.
Mehr Informationen zu Tristan und Isolde am Nationaltheater Mannheim