Die Jungfrau von Orleans (Foto: Pressestelle, Natalia Mleczak)

Bühne

Das Theatertreffen Berlin ist zu Ende gegangen – gemischte Bilanz

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Das Theatertreffen Berlin ist am 22. Mai zu Ende gegangen. Seit dem 6. Mai hatte das Branchentreffen der deutschsprachigen Bühnenwelt nach zwei coronabedingten digitalen Ausgaben erstmals wieder mit Publikum im Haus der Berliner Festspiele stattgefunden.

Die Bilanz von Theater-Kritikerin Ina Beyer ist gemischt: Nach einem schwungvollen Start mit Christopher Rüpings Dante-Abend „Das neue Leben“ gab es wenig, was Begeisterung bei ihr auslöste. Schräge Formate und woke Zeitgeistdebatten interessierten die diesjährige Auswahljury offensichtlich mehr als anspruchsvolle, weltgeisthaltige Bühnenkunst, meint Ina Beyer.

Vier Preise werden traditionell beim Theatertreffen vergeben. Mit dem Theaterpreis Berlin wurde die Intendantin der Hamburger Kulturfabrik Kampnagel Amelie Deuflhard ausgezeichnet. Zwei Preise gingen an das Stück „humanistää! eine abschaffung der sparten“ vom Volkstheater Wien: Regisseurin Claudia Bauer erhielt den 3sat-Preis, mit dem eine künstlerisch innovative Leistung ausgezeichnet wird; Schauspieler Samouil Stoyanov erhielt für seine Leistung in dem Stück den Alfred-Kerr-Darstellerpreis.

Der Stückemarkt: Werkauftrag geht an die britische Dramatikerin Amanda Wilkin, die am Schauspiel Leipzig – dem diesjährigen Partnertheater des Theatertreffens – in der Spielzeit 2023/24 ein Stück auf die Bühne bringen darf.

Medienresonanz zum Theatertreffens Berlin in der Kulturmedienschau:

Mehrere der eingeladenen Inszenierungen zum Theatertreffen sind bei 3sat als Video online zu sehen.

Entwürfe für die Zukunft beim Stückemarkt

Das Berliner Theatertreffen ist eine Veranstaltung der Berliner Festspiele und wird von der Kulturstiftung des Bundes gefördert. Die 10er-Auswahl bildet seit der Gründung des Theatertreffens 1964 das Zentrum der Theatertage. Die Auswahl und Einladung ist für die entsprechenden Produktionsteams mit überregionaler Anerkennung und oft mit einem Karriereschub verbunden. Zurzeit gibt es eine Frauenquote: Seit 2020 müssen mindestens die Hälfte der zehn Inszenierungen von Regisseurinnen sein. In den vergangenen beiden Jahren fand das Theatertreffen wegen der Corona-Pandemie ausschließlich online statt.

Mannheimer Inszenierung von „Die Jungfrau von Orleans“ ist beim Theatertreffen Berlin dabei

Man wollte jemanden finden, der einen frischen Blick auf den Schiller-Klassiker wirft — am liebsten eine Frau und am besten jemand, der nicht aus dem deutschen Bildungsbürgertum stammt und Schiller schon seit der Schulzeit meint, zu kennen. Die Wahl, so erklärt der Mannheimer Schauspielintendant Christian Holtzhauer, sei dann auf die junge polnische Regisseurin Ewelina Marciniak gefallen.

Wie Jeanne d'Arc, Johanna von Orléans, von den verschiedenen männlichen Protagonisten des Stücks wahrgenommen wird und entweder als Hexe oder Heilige stilisiert, hat bei der polnischen Regisseurin Ewelina Marciniak den Ausschlag gegeben, sich für das Mannheimer Nationaltheater mit dem Schiller-Stück zu beschäftigen, sagt Holtzhauer.

Ewelina Marciniaks „Die Jungfrau von Orleans“ im 3sat-Video (ganze Aufführung):

Beim Berliner Theatertreffen im Mai 2022 dabei

Dieser ganz eigene Zugriff von Marciniak hatte auch die Jury des Berliner Theatertreffens überzeugt. Denn, so betonte Jury-Mitglied Georg Kasch: „Gerade werden die Klassiker ja überall kritisch daraufhin abgeklopft, welche Menschenbilder sie transportieren.“ Und weiter: „Ewelina Marciniak und ihre Dramaturgin Joanna Bednarczyk dekonstruieren Schiller nach allen Regeln der Kunst.“ Und sie scheuten in ihrer Fassung auch nicht davor zurück, den Originaltext zu kommentieren und zu überschreiben.

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SWR