Quer durch den Theaterbau
An der Theaterkasse wird die vorangemeldete Besucher*innengruppe von maximal vier Personen von einem persönlichen Guide an die Abstandsregeln erinnert, wer möchte darf sich auch eine Maske aufsetzen und los geht es zur ersten Station — die Treppe rauf in das obere Foyer des Schauspielhauses.
Dort, wo normalerweise in der Pause Sekt eingeschenkt wird, stimmen zwei Tänzer*innenpaare des Balletts und der Schlagzeuger Marc Strobel, alle schwarz gekleidet — wie auch die meisten Darsteller*innen der folgenden Stationen — mit der Auftragskomposition „Monolith“ auf die Reise in die Tiefen des Theaters ein.

Musik, Ballett, Schauspiel stationsweise
Der Beifall nach dem Paukenschlag klingt wegen der Größe der Gruppe verhalten und wird auch der einzige blieben. Das Publikum spürt, dass Klatschen nicht zur Inszenierung und Stimmung des Abends passt, so gern es auch applaudieren würde. Leise, wie auf Samtpfoten, schleicht die kleine Gruppe die Treppe runter in das Untere Foyer, vorbei an den Toiletten durch eine Nebentür auf die Unterbühne.
Hier wird mit Schauspielerin Sylvana Krappatsch und Schauspieler André Jung auf Godot gewartet. Nach knapp 10 Minuten hat die Warterei auf Godot ein Ende, das Publikum fährt mit der Drehbühne nach oben und wird zur nächsten Tür geleitet.
„Ich glaube, digital zu spielen war ein guter Weg, aber jetzt geht’s wirklich drum wieder live zu spielen. Unser Publikum wartet, wir warten sehnsüchtig auf unsere Zuschauer.“
Dann führt der Weg durch das Magazin, vorbei an einem Lastenaufzug, in dem die Harfenistin Andrea Berger auf einem Teppich von weißen Federn, wie auf einer Wolke spielt.
„Romeo und Julia“ in der Stallgasse
Die nächste Station ist die sogenannte Stallgasse, wo die Kulissen lagern. Dort gibt es einen Auszug aus John Crankos „Romeo und Julia“, das Corps de Ballett zwängt sich tanzend durch einen schmalen Gang, begleitet vom Staatsorchester Stuttgart
Kreative Lösung zum Infektionsschutz
Die Idee zur musikalisch, choreografisch und schauspielerischen Reise durch die Katakomben des Staatstheaters entstand vor ungefähr sechs Wochen. Getragen von der Frage, was könnte man machen, was man sonst nie machen darf. Das heißt, mit allen Künstler*innen, die Lust haben, die Eingeweide des ganzen Theaters zu bespielen und das Publikum zum Träumen zu bringen.
„Wir sind systematisch durchgelaufen und haben den Parcours immer modifiziert. Wir sind durch viele Irrwege gelaufen, bis wir den perfekten Weg haben. Es ist wie fließendes Wasser, am geht immer weiter und nie zurück.“
Und wenn auch nur vor jeweils ganz kleinem Publikum. Ungefähr 75 Minuten dauert der Theaterparcours mit seinen 12 Stationen, die mehrere Gruppen zeitversetzt durchlaufen. Die Darsteller*innen spielen an einem Abend ihre Szene insgesamt 16 Mal hintereinander. Ein bisschen von Thomas Bernhards „Der Schein trügt“, Büchners „Leonce und Lena“ und in Opernhaus ist Seitenwechsel angesagt: Der Staatsopernchor singt im Zuschauerraum, das Publikum sitzt auf der Bühne.
Berührendes Erlebnis
Der Theaterparcours ist eine fantasievolle, melancholische Reise durch das Programm des Dreispartenhauses und will zeigen, dass das Theater nie stillstand. Der enorme Aufwand und das Engagement aller Beteiligten, macht dies deutlich und lässt den Zuschauer berührt zurück.
Der Theaterparcours „Wir sind aus solchem Stoff wie Träume sind“ von Staatsoper Stuttgart, Schauspiel Stuttgart und Stuttgarter Ballett feiert am 5. Juni 2020 ab 18 Uhr Premiere. Weitere Vorstellungen sind am 6., 7. und 8. Juni jeweils ab 18 Uhr.