Zwei Königinnen unter Zwang
Seit fast zwanzig Jahren sitzt die schottische Königin Maria Stuart gefangen in England. Ihr Kerker ist ein zweistöckiger Glaskasten, der sich frontal über die ganze Bühne erstreckt und immer wieder vor und zurückgefahren wird. Kurz vor ihrer Enthauptung schreit sie dort ihre Verzweiflung heraus.
Die katholische Königin floh von Schottland nach England, weil sie in den Mord an ihrem Ehemann verwickelt war. Sie gerät dort in den Verdacht, Königin Elisabeth stürzen und England wieder zum katholischen Glauben führen zu wollen. Elisabeth lässt sie daraufhin einkerkern.
Doch auch sie ist keineswegs frei, sondern Zwängen unterworfen. Ihre Berater und das Volk erwarten, dass sie sich einen ebenbürtigen Partner sucht.

Elisabeth steckt in schwarzen Hosen und einem dunklen Rollkragenpullover. Die Haare nach hinten gegelt, ihre Weiblichkeit versteckt sie so.
Enorme Bühnenpräsenz von Josephine Köhler
Grandios grimmig schaut Josephine Köhler als Elisabeth dabei ins Publikum. Mit enormer Bühnenpräsenz verkörpert sie die berechnende Herrscherin, de sich um ihre Position sorgt.
Denn heute wie damals stehen Frauen in Machtpositionen unter genauer Beobachtung. Und Fehler verzeiht man ihnen noch weniger als Männern – die im Stück allesamt in modernen Anzügen stecken.
Maria ist schwer zu verstehen
Katharina Hauter trägt als Maria hingegen ein beigefarbenes Kleid. Regisseur Michael Talke legt die Figur eher bedauernswert-leidend als machthungrig an, die sich gegenüber Elisabeth zu Beginn unterwürfig zeigt.
Am Ende lässt Maria dann doch ihren ganzen Hass auf Elisabeth heraus. So blitzt nur einmal kurz auf, dass sie ebenfalls eine machthungrige Königin war, weil wesentliche Teile zum Verständnis ihres Charakters gekürzt wurden.
Über Menschen in Machtpositionen
Michael Talke musste relativ kurzfristig als Regisseur einspringen. Aber letztlich stellt sich die Frage, wohin er mit seiner Inszenierung eigentlich wollte. Vielleicht lichten sich die Reihen im Schauspiel Stuttgart zur Pause auch deshalb etwas.
Denn natürlich spielt Talke darauf an, wie schwer es Frauen auch heute in Machtpositionen noch haben. Aber letztlich zeigt die Inszenierung eher, egal ob Frauen oder Männer: Täuschen, aussitzen und intrigieren, den anderen die Schuld in die Schuhe schieben. Das alles gehört nach wie vor bei manchen zum politischen Geschäft. Insofern bleibt Schiller am Ende dann in jedem Fall aktuell, wie eh und je.