Oper

Staatsoper Stuttgart wagt Neuinszenierung der „Götterdämmerung“ von Richard Wagner

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AUTOR/IN
Bernd Künzig

Vier verschiedene Regieteams verantworten die vier Abende von Richard Wagners vierteiligem Bühnenfestspiel „Der Ring des Nibelungen“ an der Staatsoper Stuttgart. In der finalen „Götterdämmerung“ interpretiert Marco Stormann szenisch hochspannend seine Sicht auf das Ende der Welt – doch die musikalische Ausdeutung durch den Dirigenten Cornelius Meister lässt irritiert zurück.

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Entzauberte Welt, geschändete Natur

Die Götter sind tot, die Welt entzaubert. Wie ein Menetekel schweben in der Eröffnung, der „Nornenszene“, Stücke der von Göttervater Wotan gefällten Weltesche als Schwemmgut geschändeter Natur über dem Bühnenraum.

Demian Wohler hat dieses Bild für Marco Stormans Inszenierung der „Götterdämmerung“ an der Staatsoper Stuttgart gefunden. Links erhebt sich ein Ritualhügel mit Wohnhöhle, Totempfahl und Ruinen antiker Tempel.

Hagen manipuliert Siegfried

Aus dieser sakralen Trümmerwelt entlässt die Göttertochter Brünnhilde ihren geliebten Naturhelden Siegfried in die große Welt. Sie ist sowohl Kirchenraum mit gotischem Bogenstück und Kanzel wie angedeutetes Parlament mit mikrofongespicktem Rednerpult.

Hier wird Siegfried durch den machtversessenen Hagen manipuliert und sich selbst entfremdet. Ein domestizierter Doppelgänger seines neu gewonnen Blutsbruder Gunther, dem er nun seine geliebte Brünnhilde mit Gewalt als Beute ins Reich holt. Der ihr entrissene Ring der Macht hat lediglich Symbolwert.

Kinder bringen Hoffnung in die Finsternis

Wagners bereits pessimistisch angelegter Abgesang auf den revolutionären Umstürzler demontiert Storman in der Streitszene der betrogenen Brünnhilde im zweiten Akt. Hier werden Rede und Gegenrede, Lüge, Täuschung, Betrug und Selbstbetrug zum parlamentarischen Spektakel.

Aber auch der Demagoge Hagen geht nicht als Gewinner hervor. Als er endlich Siegfrieds Ring an sich reißen will, brechen ihm die herabgleitenden Trümmerstücke der Weltesche buchstäblich das Genick.

Mit Taschenlampen sucht eine Kinderschar in dieser Weltfinsternis einen Ausweg. Aus dem Wasser fischen die Kinder den sich vervielfältigenden, verführerisch glitzernden Ring, um das zerstörerische Machtsymbol nur achtlos wegzuwerfen. Ein Stück Hoffnung bleibt für die kommende Generation.

 Patrick Zielke als Hagen ist das Ereignis des Abends

Epizentrum der Inszenierung ist konzeptionell, darstellerisch und stimmlich der finstere, an der eigenen Machtgier zerbrechende Hagen. Patrick Zielke ist in dieser Partie ein außerordentliches Erlebnis.

Götterdämmerung von Richard Wagner an der Staatsoper Stuttgart (Foto: Pressestelle, Matthias Baus)
Patrick Zielke als Hagen und Daniel Kirch als Siegfried: Das Publikum jubelt. Pressestelle Matthias Baus

Wenn er sogar in doppelter Rolle die Partie seines Nibelungenvaters Alberich mit übernimmt und am Anfang des zweiten Aufzugs mit sich selbst spricht, dann gelingt ihm ein Meisterstück schizophrener Machtzerstörung. Dieser Sänger ist wahrhaft das Ereignis des Abends.

 Christiane Libor als Brünhilde wirkt überfordert

Die Gewichtverlagerung von der Welterlöserin Brünnhilde auf dieses stimmgewaltige schwarze Loch – von der Regie bewusst vorgenommen – geschieht in musikalischer Hinsicht eher unfreiwillig. 

 Denn die schleppenden Tempi von Dirigent Cornelius Meister überfordern bereits im ersten Akt die Brünnhilde der Christiane Libor. Man ist erstaunt, dass sie den Abend mit all den kräftezehrenden Höhenlagen bis zu ihrem gewaltigen Schlussgesang durchsteht.

Cornelius Meister verliert sich in Details

Daniel Kirch als Siegfried ist ein stimmlicher Kraftkerl in der Mittellage. Er spielt den manipulierten Heldenkasper zwiespältig komisch, neigt aber zu ausreißenden und schrillen Spitzen.

Am Dirigentenpult verliert sich Cornelius Meister dagegen, wie seit seinem letztjährigen Bayreuth-Debut sattsam bekannt, in Manierismen bei der Ausleuchtung von Details. Der orchestrale Riesenapparat erweckt gelegentlich den Eindruck, hier werde eine Mahler-Sinfonie gegeben.

Szenisch top, musikalisch – naja

Die „Götterdämmerung“ als Vokalsinfonie zu lesen, stellt das Klangereignis über den Spannungsbogen der Szene. So fällt Wagners Idee vom dramatischen Gesamtkunstwerk auseinander. Der Jubel des Publikums gilt vielleicht auch mehr dem sich zum Schlussapplaus auf der Bühne einfindenden Staatsorchester.

Mal mehr, mal weniger verständlich ist die Feier der übrigen Sängerinnen und Sänger. So hinterlässt der szenisch hochspannende, abwechslungsreiche Abend aufgrund seiner Reibung mit der musikalischen Ausdeutung einen irritierenden Gesamteindruck.              

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