Reporter*innen begleiten Schauspieler*innen, Regisseur*innen, Dramaturg*innen bei einem „Hausbesuch“ und stellen sie mit ihrem Thema vor. Außerdem interviewen wir zu jedem Thema Expert*innen – etwa zu der Frage, wie Bilder der Klimakrise unsere Vorstellung der Zukunft prägen oder die soziale Herkunft immer noch den Zugang zu Bildung, Kultur und Gesundheit verwehrt.
Klimakrise, Flucht, Vertreibung, Klassismus und sexuelle Selbstbestimmung – große Themen der Gegenwart, die sich auch in den aktuellen Produktionen des Schauspiel Stuttgart finden. Wie kann die Klimakrise im Theater spannend umgesetzt werden? Wie sieht das Bühnenbild für ein Stück über Klassismus aus? Und wie bereitet sich ein Schauspieler auf eine Travestie-Show vor?
Gespräche aus der Reihe „Schlaglicht“:
Zur Audioführung „City X. Fragmente eines Krieges“ Luda Tymoshenko: Erzählen vom Kriegsalltag
Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist die Theaterautorin Luda Tymoshenko nach Stuttgart geflohen. Wie der Krieg in den Alltag der Menschen in eingebrochen ist, erzählt die Audioführung „City X“, die die Kiewer Künstlerin für das Schauspiel Stuttgart mitentwickelt hat. „Die Leute fürchten sich nicht mehr“, sagt Luda Tymoshenko, „sie haben sich an den Krieg gewöhnt.“
Zum Audiowalk „City X – Fragmente eines Krieges“ des Schauspiel Stuttgart Jan Kusber: „Die Idee der russischen Welt schließt große Teile der Bevölkerung Russlands aus“
Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts wieder in die Mitte Europa hineingetragen. Wie seit Jahrzehnten nicht mehr erfahren wir ein Gefühl akuter Bedrohung.
Zahlreiche Flüchtlinge sind aus den Gebieten im Osten der Ukraine Richtung Westen geströmt – Menschen mit körperlichen und seelischen Verwundungen. Wie sehr die Veränderungen auch uns betreffen zeigt die Audioführung „City X – Fragmente eines Krieges“ durch Stuttgart.
Regisseur Gernot Grünewald versucht in Zusammenarbeit mit den ukrainischen Autorinnen Luda Tymoshenko und Maryna Smilianets die baden-württembergische Landeshauptstadt als Erfahrungsraum darzustellen, in dem sich diverse Lebensumstände widerspiegeln. Denn das ideologische Konzept der „Russki Mir“, einer russischen Welt, hinter der von Putin als „Spezialoperation“ bezeichneten Attacke reicht weit über die Grenzen Russlands hinaus.
Es bedroht alle jene Länder, in denen ethnische Russen leben. Konkret geht dieser kulturimperialistische Ansatz, der im frühen 19. Jahrhundert entwickelt wurde, in seinen Ansprüchen weit über die Ukraine hinaus.
Der Osteuropahistoriker Professor Jan Kusber, der an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz lehrt und forscht, erläutert im Gespräch dessen Entstehung und die aktuelle Interpretation durch Putins Machtelite in Moskau. Kusber erinnert daran, dass der Westen lange den Rückgriff auf eine slawische Eigenheit, die den Kern dieses Konzepts bildet, fälschlicherweise nur als Container voller rhetorischer Versatzstücke begriffen hat. Er sagt, die Mächtigen im Kreml störten sich nicht daran, dass wichtige Phasen der russischen Geschichte – wie die Reformen Peters des Großen und die Abschaffung der Zensur unter Zarin Katharina – nicht in das Konzept hineinpassten und sich in ihm die ethnische Vielfalt des Landes nicht wiederfindet.
Die „russische Welt“ ist in seiner Interpretation vor allem ein ländlicher Kosmos, der paradoxerweise in jenen Teilen der russischen Bevölkerung Anklang findet, die von der postindustriellen Entwicklung weitgehend abgehängt wurden.
Zur Inszenierung „Annette, ein Heldinnenepos" am Schauspiel Stuttgart Wie sieht ein Leben im Widerstand aus? - Porträt von Shirani, iranische Journalistin und Protestierende in Teheran
Im Rückblick wird das Leben von Menschen die gegen ein Regime und Strukturen kämpfen, oft als Helden- und Heldinnengeschichten beschrieben. So wie Anne Weber das in ihrer literarischen Biographie über Annette Beaumanoir gemacht hat, die gerade als Theaterfassung in Stuttgart zu sehen ist. Aktuelles Beispiel einer modernen Heldin ist das Porträt einer Frau, die sich aktuell am Widerstand in Teheran beteiligt. Gegen eine Regierung, die Frauen das Kopftuch aufzwingt. Ein Hausbesuch der etwas anderen Art bei Shirani, einer iranischen Journalistin und Drehbuchautorin.
Zum Musical „The Magic Key“ am Schauspiel Stuttgart Simon Schnetzer fordert junge Menschen mehr einzubinden
„Wir müssen realisieren, dass die Welt sich verändert hat und dass das, wie wir junge Menschen auf ein erfolgreiches Leben in der Zukunft vorbereiten nicht mehr ausreicht“, sagt Jugendforscher Simon Schnetzer.
Zum Stück „Der Sturm“ am Schauspiel Stuttgart Susan Arndt plädiert für eine Sprache ohne Rassismus
Das Stück „Der Sturm“ zeigt das Spiel von Macht und Herrschaft. Darin nimmt William Shakespeare Bezug auf den beginnenden Kolonialismus. Susan Arndt, Literaturwissenschaftlerin aus Bayreuth, sieht darin eine vorsichtige Kritik Shakespeares am Kolonialismus.
Zum Theaterstück „Ökozid“ am Schauspiel Stuttgart Der sanfte Optimismus von Cosima Rade, Klima-Aktivistin
Die 20jährige Politik-Studentin Cosima Rade ist Aktivistin der Stuttgarter Gruppe von Fridays for Future (FFF) – und nebenbei das, was sie ein „Theaterkind“ nennt: Seit früher Kindheit selbst auf der Bühne und auch begeisterte Zuschauerin. Bei „Ökozid“, dem Klimawandel-Stück des Staatstheaters Stuttgart, war sie besonders beeindruckt vom Gastbeitrag der nigerianischen Aktivistin Adenike Oladosu. „Wir brauchen solche Begegnungen“, sagt Cosima Rade, „denn die Kunst hat ein besonderes Potential: Sie kann uns berühren – damit wir anfangen zu handeln.“
Zur Inszenierung „Der Sturm“ am Schauspiel Stuttgart Denken in Machtstrukturen: Der Schauspieler André Jung als Zauberer Prospero
„Man beobachtet sich selbst beim falsch Machen“, sagt André Jung über den Zauberer Prospero, den er in Shakespeares „Sturm“ spielt.
Zum Theaterstück „Annette, ein Heldinnenepos“ am Schauspiel Stuttgart Kristina Hänel und ihr Kampf für Frauenrechte
„Ich würde Politiker*innen und Richter*innen oder diejenigen die sich als Richter*innen über Frauen aufführen gerne mal zwingen einen Tag mit meinen Augen durch die Welt zu gehen“, so die Ärztin Hänel, „und diese arrogante Haltung zu ändern.“
Zur Inszenierung „The Magic Key“ Marthe Meinhold und Marius Schötz - Basisdemokratie am Theater
Krieg, Pandemie, Klimawandel. Die Gegenwart des Menschen ist ins Wanken gekommen. Sind der Mensch und die Welt noch zu retten? Dieser Frage geht das Regie-Duo Marthe Meinhold und Marius Schötz in ihrem Musical „The Magic Key“ am Stuttgarter Kammertheater nach. Zuvor haben die beiden in Berlin, Weimar, Karlsruhe, Saarbrücken und Wien inszeniert und wichtig ist ihnen dabei immer, dass die Stücke in der Zusammenarbeit mit allen Beteiligten entstehen.
Zum Theaterstück „Die Präsidentinnen“ am Schauspiel Stuttgart Soziologin Lena Schürmann über prekäre Arbeit
Im Theater-Stück „Die Präsidentinnen“ schildert eine Reinigungsfachkraft ihren Arbeitsalltag im Billiglohn-Sektor. Tatsächlich wird die Arbeit von Reinigungsfachkräften stark stigmatisiert, sagt die Soziologin Lena Schürmann von der Humboldt-Uni in Berlin.
Zur Inszenierung „Die Präsidentinnen“ Christian Schmidt – Respekt für die Bühnenfiguren
Der international renommierte Bühnenbildner Christian Schmidt hat für „Die Präsidentinnen“ ein geniales Bühnenbild entworfen. Ein riesiges Sofa steht neben anderen übergroßen Möbeln in einer Souterrainwohnung. Es scheint deshalb so, als sei das Leben zu groß für die drei Schauspielerinnen, die am Rand der Gesellschaft leben. Dem Bühnenbildner ist es bei seiner Arbeit immer wichtig, sich den Figuren mit Respekt zu nähern. Wie im Fall „Der Präsidentinnen“, denn er wisse nicht wirklich, wie sich das Leben am unteren Ende der sozialen Leiter anfühle.