Shakespeares frivole Verwechslungskomödie „Was ihr wollt“ wird am Schauspiel Stuttgart von Intendant Burkhard C. Kosminski mal boulevardesk, dann wieder melancholisch abgründig inszeniert. Die Geschlechterrollen verschwimmen, in Bezug auf die Selbsterkenntnis wird auch dem Publikum der Spiegel vorgehalten. Bunt, verrückt und doch mit ernstem Kern: Grenzenlose Liebe ist oft nur Projektion.








Geschlecht, Wahrheit, Identität – in Illyrien scheint alles möglich
Eine Gruppe erleidet Schiffbruch und verstrickt sich in Illyrien – scheinbar einem Land des leichtfertigen Treibens und der Illusionen – in irre Verwechslungen, Spiele und Beziehungskisten. Eine junge Frau verkleidet sich als Mann – das führt zu allerlei komischen aber auch bitteren Verwicklungen. Kaum zu glauben: am Ende gibt es ein Happy End – oder doch nicht?
Das Publikum selbst sieht sich im Spiegel
Regisseur Burkhard Kosminski setzt bei seiner Inszenierung auf ein zurückhaltendes Bühnenbild. Besonderer Clou: eine verspiegelte, teilweise semitransparente Wand, die das Spiel um Täuschung und Selbstwahrnehmung noch verstärkt. In mehreren Szenen sieht sich auch das Publikum selbst in dem Spiegel; wird sozusagen mit auf die Bühne geholt und mit sich selbst konfrontiert.
Während es zu Beginn des Stückes ein bisschen arg klamaukig zugeht, bringen spätestens die musikalischen Einlagen des Narren – genial tragisch komisch gespielt von Felix Strobel – melancholisch düsteren Tiefgang in die Slapstickkomödie.

Den scheinbar männlichsten Part spielt eine Frau
Während bei Shakespeare vor über vierhundert Jahren noch Männer Frauen – und bei „Was ihr Wollt“ – Männer Frauen, die Männer spielen, verkörpern mussten, dreht es Burkhard C. Kosminski um. Den scheinbar stereotypisch männlichsten Part spielt Anke Schubert – als Olivias trunksüchtiger Onkel Sir Toby.
So greift Kosminski ein entscheidendes Element der Komik bei Shakespeare auf und kehrt es um. Geschlecht und Identitätszwänge werden in Frage gestellt.

Rasanter Trip mit zündenden Pointen
Es ist ein rasanter Trip – das Stück lebt vom Wechsel zwischen den boulevardesken Momenten des durch die Bank mitreißenden Ensembles, bei denen eine Pointe die nächste jagt – die größtenteils auch zünden - und den stillen Momenten der Erkenntnis
Anfangs scheint es, als wäre in Illyrien alles möglich. Ein tabuloses Durcheinander. Inzestuöse oder homoerotische Anspielungen – Techtelmechtel zwischen den Ständen. Bei der Auflösung bekommt aber eigentlich keiner den, den er am Anfang wollte – die Ordnung ist scheinbar wieder hergestellt – Mann liebt Frau und Frau liebt Mann. Das Publikum bekommt ein Happy End – nach dem Motto: da habt ihr „was ihr wollt“ – aber Burkhard C. Kosminski macht mit seiner vergleichsweise züchtigen Inszenierung deutlich – es ist nur ein ironisches Spiel mit der Forderung nach einem glücklichen Ende. Es ist nicht die Macht der Liebe, die alles gut werden lässt. Die Liebe ist nur eine Projektion – jeder sieht eigentlich sich selbst, ohne sich dabei wirklich zu erkennen.
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