Bühne

Ein Opernereignis erster Güte: „Rusalka“ von Antonín Dvořák am Theater Freiburg

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AUTOR/IN
Bernd Künzig
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Lydia Huckebrink

Antonín Dvořáks bekannteste Oper „Rusalka“ ist inspiriert durch slawische Volkmythen über Wassernixen und zur Zeit auf deutschen Bühnen populär. Am Theater Freiburg macht Kateryna Sokolova aus Dvořáks Meisterwerk ein Opernereignis erster Güte: unbedingt sehenswert.

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In Freiburg werden die Toten erweckt

Mit Antonin Dvoraks „Rusalka“ am Theater Freiburg wird das Reich der romantischen Unheimlichkeit betreten. Bereits mit dem orchestralen Vorspiel sind wir in einem Bestattungsinstitut.

Ein junger Mann, der Prinz, trauert um die verstorbene Geliebte. Ein Medium setzt ihn mit Pendel unter Hypnose. So beginnt eine Séance zur Wiedererweckung der Toten.

Wassernixe Rusalka liebt einen Menschen

Kateryna Sokolova inszeniert mit Intelligenz, Spielfreude und Anspielungen ans Kino des Unheimlichen eine raffiniert umgebogene Geschichte vom traurig-schaurigen Märchen der Wassernixe und ihrer Liebe zu einem Menschen.

Rusalka von Antonín Dvořák am Theater Freiburg (Foto: Pressestelle, Laura Nickel)
Nikolaus Webern hat ein Bühnenbild wie in einem guten Film erschaffen. Pressestelle Laura Nickel

Die neckischen Elfen sind hier lebende Leichname mit Totenschleier, der Wassermann ein zwiespältiger, in diabolisches Rot gehüllter Conférencier des Jenseits und die Hexe Jezibaba gibt das okkulte Medium der Totenbeschwörung.

Rusalka verliert die Stimme

Rusalka tritt schließlich als „Corpsbride“ auf, und die Hochzeit mit einer Leiche nimmt ihren fatalen Lauf. Rusalkas Preis der Vermenschlichung ist der Verlust ihrer Stimme.

Die Menschwerdung des Geistes, jenem Elementarwesen aus dem Wasser, passt dem Herrn des Totenreiches wenig und so zaubert er eine künstliche Doppelgängerin als sinnlich stimmliche Verführerin des Prinzen hervor. Das Paar soll getrennt werden und die enttäuschte Rusalka wieder in das feuchte Reich des Todes zurückfinden.

Ehe, Streit und Tod

Diese Fürstin ist eine Maschine aus dem romantischen Geist von E.T.A Hoffmanns mechanischer Puppenfantasie der Olympia oder Fritz Langs weiblichem Roboter in seinem Stummfilm „Metropolis“. Das Hin- und Hergerissensein des Prinzen zwischen lebender Toter und toter Lebender führt zum Ehedrama im Badezimmer.

Rusalka von Antonín Dvořák am Theater Freiburg (Foto: Pressestelle, Laura Nickel)
Epizentrum der Aufführung: Jin Seok Lee als Wassermann und Ani Yorentz als Rusalka sind umwerfend. Pressestelle Laura Nickel

Der feuchte Tod des Prinzen als Erlösung durch die als Elementargeist zurückgekehrte Rusalka wird umgekehrt. Im letzten Kuss der Leidenschaft ersticht der Prinz versehentlich die Geliebte. Der Kreis schließt sich und wir landen wieder im Bestattungsinstitut, der Prinz bleibt unerlöst.

Das Bühnenbild ist ein filmreifes Szenario

Die dergestalt umgebogene Erzählung der Regie setzt konsequent und musikalisch sensibel an der bereits bei Dvorak und seinem Librettisten Jaroslav Kvapil im Verfall begriffenen Welt der Elementargeister am Beginn der industrialisierten Naturzerstörung um 1900 an, dem Entstehungsjahr der Oper.

Die tiefsitzende Traurigkeit der Musik wird in ein filmreifes Szenario aus dem Reich der Toten nach Hitchcocks nicht weniger romantischen Konzept seines Films „Vertigo“ übersetzt. Es funktioniert wie ein perfekt ablaufendes Uhrwerk im fantastischen Trauerinstitut der Bühne von Nikolaus Webern.

 Stimmlich und darstellerisch perfekt

Und es funktioniert vor allem auch dank des schlanken, klangmagischen, nie sentimentalen, die orchestral-melodischen Subtilitäten der Partitur zum Glühen bringenden Dirigats von Ektoras Tartanis mit dem Philharmonischen Orchester Freiburg. Gesungen wird hier fabelhaft homogen.

Rusalka von Antonín Dvořák am Theater Freiburg (Foto: Pressestelle, Laura Nickel)
Dvoraks „Rusalka“ ist ein Meisterwerk. In Freiburg kann man es auch als solches erleben. Pressestelle Laura Nickel

Jin Seok Lees Wassermann ist mächtig, furchterregend und erhaben. Die Jezibaba der Anja Jung mit wahrhaft hypnotischer Begabung. Die drei von Janina Straub, Lila Chrisp und Alina Kirchgäßner schön gesungenen Elfen sind hinreißende Wiedergängerinnen.

Stimmlich und darstellerisch perfekt Caroline Melzer als die eine Menschmaschine verkörpernde fremde Fürstin.

 Die Hauptdarstellenden sind umwerfend

Ein umwerfendes Epizentrum bilden Jenish Ysmanov als Prinz und Ani Yorentz als Rusalka. Er mit einem slawisch klaren Strahltenor, sie mit packender Sinnlichkeit.

Antonin Dvoraks „Rusalka“ ist ohnehin ein Meisterwerk. Am Theater Freiburg kann man es aber auch als ein solches erleben. Das ist mit großer Unbedingtheit als Opernereignis erster Güte zu empfehlen.

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