Kaum ein größeres Opernhaus mag sich derzeit Richard Wagners Opernvierteiler „Der Ring des Nibelungen“ entziehen. Das Theater Basel startet jetzt in der Regie des Opernintendanten Benedikt von Peter mit „Das Rheingold“ eine Neuproduktion. Der Regisseur ist vor allem für ungewöhnliche Raumkonzepte bekannt, die der Trennung von Zuschauerraum und Bühne entgegenwirken. Jonathan Nott formt den neuen „Ring“ musikalisch.
Die Geschichte wird von hinten aufgezäumt
Thomas Mann erkannte in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ einen groß angelegten Familienroman. Göttervater Wotan zeugt ein Zwillingspaar. Das entbrennt in inzestuöser Liebe zueinander. Frucht der Beziehung ist Siegfried. Wotans Tochter Brünnhilde wird später Siegfrieds Frau und von ihm dann verschachert und so weiter. Diese eigenartige Familiengeschichte gründet auf dem Geldproblem des obersten Gottes. Der kann seinen Neubau Walhall nicht bezahlen und muss dafür Alberich Hort und Ring entreißen.
Benedikt von Peter und Co-Regisseurin Caterina Cianfarini konzentrieren sich mit ihrer kritischen Lesart von Wagners Tetralogie in Basel mit dem Vorabend „Das Rheingold“ auf eine Familienaufstellung. Die Geschichte wird dabei von hinten aufgezäumt. Die rückblickende Brünnhilde versucht sich in recht eigenartigen, den musikalischen Fluss unterbrechenden und aus dem Off zugespielten Kommentaren zu erklären, warum alles in dieser Familie so schief gehen konnte.
Der kleine Siegfried bekommt ein Puppentheater geschenkt
Ausgangspunkt ist der fünfte Geburtstag Siegfrieds. Opa Wotan schenkt dem Kleinen ein Puppentheater und erzählt die Geschichte vom Raub des Rheingoldes durch die Riesenkröte Alberich. Im Hintergrund wird dieses Puppentheater mit großen Stabfiguren sichtbar.

Aus dem Puppenspiel wird dann in die reale Familienfeier am langgezogenen Tisch gewechselt. Links auf der Bühne von Natascha von Steiger wartet das zweistöckige Walhall als Rohbau, im Hintergrund ist die verdorrte Weltesche Spielplatz für die schaukelnde Brünnhilde. Unter dem Tisch treibt es Wotan mit den Nornen, bevor der Kindergeburtstag durch die hereinplatzenden, ihren Lohn fordernden Riesen brutal abgebrochen wird.
Wotan als gewalttätiger und vulgärer Patriarch
Überhaupt ist dieser Göttervater ein vulgärer, gewalttätig rücksichtsloser Patriarch. Die Botschaft ist klar: Die Familie ist ein Saustall und das Oberhaupt das Hauptschwein. Kein Wunder liegt der eigentlich erst in der „Walküre“ in Erscheinung tretende Sohn Siegmund als depressives Bündel im Wolfsfell herum.
Vor allem ist diese abgründige Familienaufstellung aber konfus, wenn jene Mitglieder bereits auftreten, bevor sie gezeugt werden. Die Inszenierung geht dabei mit der erzählerischen Logik recht frei um und kommt zu einer recht groben Version des eigentlich psychologisch klug Abgewogenen bei Wagner.
Solenn‘ Lavanant-Linke überzeugt als Göttergattin Fricka
Nathan Berg singt dementsprechend einen recht rabiaten, etwas ungeschlachten Wotan als Gewalttäter. Sein Gegenspieler Alberich ist ihm mit Andrew Murphy kaum gewachsen. Er singt zu kultiviert. Wotans dämonischer Ratgeber Loge ist mit Michael Lorenz dagegen recht überakzentuiert.
Die schönste Stimme hat Solenn‘ Lavanant-Linke als Göttergattin Fricka. Stimmlich verführerischer als ihre Puppendoubles sind die Rheintöchter von Inna Fedoril, Valentina Stadler und Sophie Kidwell.
Lässt sich die Konfusion durch „Die Walküre“ lichten?
Die Regie rückt diese verrottete Familie dem Publikum direkt auf den Leib und lässt an der Rampe spielen. Das Orchester wird unter der Bühnenmitte postiert, ähnlich unsichtbar wie im Bayreuther Festspielhaus. Obwohl Jonathan Nott klar strukturiert dirigiert, erweist sich das als große Hypothek.
Die Gewalt der Zwischenspiele wird in den Hintergrund gedrängt, das Geflecht der kommentierenden Leitmotive wirkt verwaschen. Die Koordination wackelt oft. Zu allem Unglück versäumt Andrew Murphy als Alberich aufgrund eines Brandes in der Unterbühne einen Auftritt in der Nibelheimszene, worauf kurz abgebrochen und der Vorhang heruntergelassen werden muss. „Die Walküre“ in der kommenden Woche muss zeigen, wie die Konfusion sich lichten lässt.
Angela Merkel über den „Ring“
SWR2 True-Crime-Podcast „Sprechen wir über Mord!?“ mit Angela Merkel
Erstmals ist die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel Gesprächsgast in einem Podcast-Format. Gemeinsam mit dem ehemaligen Bundesrichter Thomas Fischer und Moderator Holger Schmidt diskutiert sie im SWR2 True-Crime-Podcast „Sprechen wir über Mord!?“ über strafrechtliche Zusammenhänge und Motive in Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Zentrale Begriffe sind dabei Habgier, Rache und Eitelkeit. Ganz wie im echten Leben ... und in der Politik!
Der „Ring“ im Tatort „Gold“
Rheingold im Tatort Schatzsuche am Rhein: Wo liegt der Hort der Nibelungen?
Mindestens so sagenhaft wie der „Schatz des Priamos“ und genauso unauffindbar wie das Bernsteinzimmer: Der Nibelungenhort beschäftigt Schatzsucher und Archäologen bis heute. Nun wird der Sagenschatz auch im neuen Ludwigshafen-Tatort zum Gegenstand der Ermittlungen von Odenthal und Stern. Wo soll der Schatz laut Sage liegen? Und was hat der 2013 gefundene Rülzheimer „Barbarenschatz“ damit zu tun?
Musikthema Musik im neuen Tatort „Gold“: Es wagnert in Ludwigshafen
Am 3. September läuft der neue SWR-Tatort „Gold“ mit Kommissarin Lena Odenthal. Es wagnert darin kräftig mit der Musik und zahlreichen Bayreuth-Anspielungen. Bernd Künzig hat sich den Wagner-Tatort“ schon einmal angeschaut.
Film Tatort „Gold“: Gelungener Mix aus Nibelungen-Sage und Sonntagabend-Krimi
Der Nibelungenmythos fasziniert seit über 800 Jahre: Liebe und Macht, Helden, Götter und ein mysteriöser Schatz. Das beschäftigt nicht nur die jährlichen Nibelungefestspiele in Worms sondern auch jede Neuinszenierung von Richard Wagners „Ring des Nibelungen“. Worms und Wagner finden nun im neuen Ludwigshafen Tatort „Gold“ zusammen. Nichts für humorlose Wagner-Verehrer, statt dessen endlich mal ein leichtfüßiger Lena-Odenthal-Tatort.
Mehr zu Wagners „Ring“
Zeitwort 16.08.1876: Die Oper Siegfried wird uraufgeführt
Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ hat seit jeher die Gemüter bewegt. Er wird als „Opus Magnum“, von Wagnerianern gerne auch als „Opus Summum“ bezeichnet.
Nibelungen-Festspiele 2023 Von der Walküre zur selbstbestimmten Heldin: Feministische Brynhild in Worms
Am 7. Juli starten die Nibelungen-Festspiele in Worms. Mit „Brynhild“ präsentieren Autorin Maria Milisavljević und Regisseurin Pınar Karabulut am Wormser Dom den alten Sagenstoff als feministische Empowerment-Erzählung aus der Perspektive der isländischen Kriegerkönigin. Dringend nötig, denn wie keine andere Figur der Erzählung wurde Brunhild zum Spielball unterschiedlichster Frauenbilder.
Gespräch Uraufführung „Brynhild“ bei den Nibelungenfestspielen in Worms – Der Nibelungenstoff ganz divers
Man müsse Richard Wagner und seinen „Ring des Nibelungen“ nicht unbedingt vergessen, wenn man dieses Jahr die Nibelungenfestspiele in Worms besucht, sagt die Autorin Maria Milisavljević. Ihr Drama „Brynhild“ wird am 7. Juli vor dem Wormser Dom uraufgeführt. Ihre Brünhild orientiert sich an der Edda-Lücke, einer Leerstelle in der zentralen Version der Lieder „Edda“. Seitens der Wissenschaft gehe man davon aus, dass Seiten rausgerissen worden seien. Das habe Milisavljević Interesse geweckt, nach anderen Quellen zu suchen. Für sie sei Brünhild eine Frau, die ein großes Vertrauen in ihre Herkunft habe und die letztendlich die Entscheidungsmacht behält: „Der Text wird durch die Brünhild-Figur nicht nur einer, der Ja sagt zu starker Weiblichkeit, sondern der sich auch von Kriegsdiskursen und Macht entsagt, denn da, wo Macht ist, kann keine Liebe sein.“