Am Theater Freiburg hat sich der neue Generalmusikdirektor André de Ridder mit Alban Bergs „Wozzeck ein Schwergewicht des 20. Jahrhunderts ausgesucht. Mit Regisseur Marco Storman gelingt ihm dabei ein „kongeniale Zusammenarbeit von Inszenierung und musikalischer Interpretation“, schwärmt SWR2 Opernredakteur Bernd Künzig.
Erfolgreiche Zusammenarbeit bereits in Stuttgart
André de Ridder und Marco Storman und Dirigent haben bereits in erfolgreich John Adams „Nixon in China“ an der Staatsoper Stuttgart produziert. Dirigent und Regisseur zeigen, wie Bergs Meisterwerk ein tönendes Seelenporträt der gequälten Kreatur vor Augen und Ohren führt. Auf den bei dieser Oper so oft erlebten finsteren Sozialrealismus wird gänzlich verzichtet.

Comichafte Schau von Wozzecks Alptraum Monstern
Mit barocker Lust an der Ausstattung präsentieren die Kostüme von Josa Marx für den Hauptmann und den Doktor eine comichafte Schau der Monster, die den armen Wozzeck in den Wahnsinn treiben. Der Hauptmann, ein durch übermäßige Rasur blutig Gehäuteter und der Doktor, mit Scherenklauen in seinen Eingeweiden wühlend, sind bildhaft gewordener Ausdruck des Alptraums der Hauptfigur.
„Und Marie steht hier so vereinsamt im Orchester wie Wozzeck vor ihm.“
Der Tambourmajor, ein aufgeplustertes Amphibium, dem sich das Kind von Wozzeck und Marie immer mehr angleicht und mit ihm gemeinsame Sache bei der endgültigen, gewalttätigen Erniedrigung macht. Und Marie steht hier so vereinsamt im Orchester, wie Wozzeck vor ihm. Berührung ausgeschlossen. Ihre Prostitution durch den Tambourmajor, der sie mit Geschmeide bezahlt, ist lediglich eine ordinäre Fantasie der entblößten Brust und des schwingenden Hinterns.

Wenn Wozzeck schließlich die Partie des die Ermordung Maries vorausahnenden Narren mit übernimmt, dann wird Wozzecks Schizophrenie von Opfer und Täter glasklar. Ob es der militärische Zwang, das soziale Elend oder die Not der Triebe sind, das bleibt in dieser Inszenierung wohltuend offen.
Zuschauende werden selbst zu Wozzecks
Vor der letzten Szene, während des orchestralen Trauergesangs auf den ertrunkenen Wozzeck, begibt sich dieser still in die erste Publikumsreihe und singt von dort das letzte „Hopp-Hopp“ seines Kindes auf der Bühne. Wie Wozzeck zu Beginn, schnitzt nun der einsame Sohn manisch am Stück Holz. Und alle Zuschauenden sind selbst zu Wozzecks geworden, die dem eigenen Abstieg in den seelischen Abgrund beiwohnen.

Solisten und Ensemble singen herausragend
Robin Adams dominiert diesen Abend mit lyrischem Ton, ehrlichem Ausdruck des Leidens und lauernder Gefährlichkeit drohender Gewalt. Ein überwältigender Auftritt. Roberto Gionfriddo und Yunus Schahinger sind als Hauptmann und Doktor ein perfekt aufeinander abgestimmtes Paar der Quälgeister.
Die haarsträubend schwere Partie der Marie zwischen Sprechen, Sprechgesang und dramatischer Höhe bewältigt Caroline Melzer bewunderungswürdig intonationssicher. Joshua Kohl als Tambourmajor ist das Prachtexemplar eines Monstrums und der Andres von Jumbum Lee steigt unangestrengt zu den extremen Höhen der Entfremdung.
„Es ist nicht nur ein großer Abend, sondern auch ein grandioser musikalischer und szenischer Einstand, ein Meilenstein der Ausdeutung dieses so wichtigen und zeitlos gültigen Meisterwerks von Alban Berg am Theater Freiburg.“
„Traumsichere und makellose“ Durchleuchtung der komplexen Struktur
Alle kleineren Rollen und der Chor sind tadellos. Dem neuen Generalmusikdirektor André de Ridder gelingt vor dem bestens disponierten Philharmonischen Orchester eine so traumsichere und makellose Durchleuchtung der komplexen formalen Struktur der Partitur Bergs, als gelte es die Oper eines Bel Canto-Meisters zu Gehör zu bringen.
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Als „Welt-Kultur-Phänomen“ sieht der Direktor des Richard-Wagner-Museums den umstrittenen Komponisten. Zur Eröffnung der Ausstellung „VolksWagner. Popularisierung – Aneignung – Kitsch“ in Bayreuth sagt Sven Friedrich im Gespräch mit SWR2 über Richard Wagners Einzug in die Populär-Kultur: „Wagner ist ein Symbol und ein Stereotyp, das hergenommen werden kann, um verschiedenste Dinge zu transportieren.“