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Premiere in Koblenz: „Nixon in China“ bringt Zeitgeschichte auf die Opernbühne

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Henning Hübert
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Lydia Huckebrink

„Nixon in China“ handelt vom Staatsbesuch Richard Nixons, dem ersten eines amerikanischen Präsidenten, in der Volksrepublik China. Es kommt zum legendären Handschlag mit Mao Tsetung, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei. Zum Rahmenprogramm gehörte ein Abend in der Oper, wo ein von Ehefrau Mao inszeniertes Revolutionsballett aufgeführt wird. Das Koblenzer Stadttheater zeigt die Oper jetzt in einer modernen Sporthalle. Der Stoff ist hoch aktuell.

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Opernchor in Mao-Uniform

Der Opernchor marschiert in Mao-Uniformen auf und füllt die große Bühne, quer über das ganze Spielfeld der Arena. Die roten Flaggen Chinas mit den Kommunistensternen sind so groß, dass sie auch dem Volkskongress in Peking Ehre machen würden.

Dazu Podeste für die Arien der Staatslenker, Video-Leinwände übertragen die Landung der Präsidentenmaschine der US-Airforce und das anschließende Händeschütteln Richard Nixons mit Chinas Ministerpräsidenten.

Ein Staatsbesuch wie eine CNN-Oper

Hände schütteln mit den Kommunisten? Heute wie damals ein Politikum. 1972 wollte Nixon diese Fernseh-Bilder. Auch, um wiedergewählt zu werden.

Der historische Staatsbesuch als große CNN-Oper. Koblenz’ Intendant und Regisseur Markus Dietze bietet mit brillanter Bild- und Tontechnik eine eindrückliche Inszenierung, die das historische Geschehen wiederbelebt.

Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Großaufgebot: Neben dem Ensemble des Musiktheaters wirken das Ballett des Theaters Koblenz sowie Kameramänner und Puppenspielende mit. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
„Nixon in China“ handelt vom ersten Staatsbesuch eines amerikanischen Präsidenten in der Volksrepublik China. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Ein riesiger roter Teppich für das Ballett „Das rote Frauenbataillon“ wird ausgerollt. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Auf LED-Screens sieht man zeithistorische Filmaufnahmen und Bildmontagen vom Videokünstler Georg Lendorff. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Die beiden großen LED-Bildschirme sind Teil des Bühnenbilds. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Am 21. Februar 1972 landete das Flugzeug des Präsidenten Richard Nixon in Peking. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China - Theater Koblenz (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Szene mit Puppenspielenden. Bild in Detailansicht öffnen
Nixon in China (Foto: Pressestelle, Matthias Baus, Theater Koblenz)
Der Opernchor marschiert in Mao-Uniformen auf und füllt die große Bühne. Bild in Detailansicht öffnen

 Hymne an die rote Mao-Bibel in Koblenz

Im zweiten Akt wird ein riesiger roter Teppich für das Ballett „Das rote Frauenbataillon“ ausgerollt. Komplizierte Handlung; schwer zu durchschauen, wer gerade Revolutionär und wer Konterrevolutionär ist. Die 15-köpfige Ballett-Truppe des Stadttheaters tanzt auch eine brutale Folterszene, die damit endet, dass die Präsidentengattin Pam Nixon mitfühlend eingreift.

Als dann auch noch Schüsse fallen, löst endlich Maos Gattin das Verwirrspiel, als sie sich als Autorin des Balletts einschaltet. Hanna Lee singt Chian Ch’ings Hymne an die rote Mao-Bibel und die kommunistische Revolution.

Mao und Nixon sinnieren über ihre Karrieren

Der Schlussakt kommt ohne Massenszenen aus. Hier blicken Mao, seine Frau und die Nixons auf ihre Karrieren zurück. Der Präsident spricht über seine Zeit als Soldat im 2. Weltkrieg und den Reiz des Pokerspiels.

Der Revolutionsführer wiederum raucht Zigarette und philosophiert über einen Kommunismus mit menschlichem Antlitz. Das Libretto von Alice Goodman hat hier besonderen Tiefgang.

Die Musik ist wenig zugänglich

John Adams repetitive minimal music verweigert eine zwingende Charakterisierung oder gar Psychologisierung der sechs Hauptrollen: die Ehepaare und dazu Chinas Ministerpräsident Chou En-lai und Nixons legendärer Sicherheitsberater Henry Kissinger. Mao als Riesen-Plakat, Nixon im Zoom der Kameras – beide kommen einem übers Auge näher als über das Ohr.

Regisseur Markus Dietze verstärkt diesen Eindruck noch einmal, indem er im Schlussakt die Ehepaare verdoppelt: Jetzt sitzen sie in den Zuschauerreihen und singen im Freizeitlook.

Strippenzieher der Weltpolitik

Auf den Kamerabildern erscheinen sie als glückliche Paare. Ihre Kostüme tragen stellvertretend vorne auf dem Parkett körpergroße Handpuppen, großartig in Szene gesetzt durch vier Puppenspieler.

Wer zieht die Fäden? Die Mao- und Nixon-Puppen tanzen in Koblenz gegen Ende im Takt des Saxophons. Nico Wouterse als Henry Kissinger ist es, der es spielt.

Inzwischen ist Kissinger 99 Jahre alt, der republikanische Strippenzieher in der Weltpolitik. Die US-Flaggen sind in der Koblenzer Sporthalle genauso groß wie die Flaggen Chinas.

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