
Scharf schneidet das Henkerbeil, hoch über der Bühne schwingt der abgeschlagene Frauenkopf, aus dem Halsstumpf tropft das Blut. Und unten 30 Männer, in Reih und Glied mit dem Rücken zum Publikum. Nackt. Alle. Blackout. Oder: 30 nackte Männer, die sich aus Sauerstoffflaschen beatmen. Blackout.
30 nackte Männer als lebendes Bühnenbild

Das ist eindeutig das Theater des Regisseurs Martin Kusej: sensibel die Analyse, massiv die Bilder, wummernd der Sound, testosterongetränkt die Ästhetik. Und die wuchtigen Blackouts geben den Rest. 30 nackte Männer als lebendes Bühnenbild, darauf muss man erst einmal kommen, 30 nackte Männer, von 30 Scheinwerfern angestrahlt, sonst ist der von Wänden umstellte Kasten leer. Männerkörper also: mal zum Cluster verdichtet, mal als Labyrinth in den Raum gestellt, mal als kreisende Mörderbande die Wände mit Blut beschmierend. Männer als potenzstrotzende Folie für ein Stück, das eigentlich vom Konflikt zweier Frauen erzählt, zweier Königinnen: Maria Stuart und: Elisabeth Tudor. Die eine liegt im Kerker der anderen, weil beide Anspruch haben auf den englischen Thron.
Schranzen, Machtpolitiker, Einflüsterer spinnen die Fäden
Eigentlich also wäre das ein Showdown zwischen zwei starken Frauen, wäre da nicht der Hofstaat: die Schranzen, die Machtpolitiker, die Einflüsterer, Männer allesamt, die das Ränkespiel in Wahrheit spielen, die die Fäden spinnen, die Hoffnungen hegen und Hoffnungen wecken, die Rettung ersinnen und Strategien durchkreuzen, Männer, die sich nun bei dieser Salzburger Festspielinszenierung immer wieder aus den Clustern der Männerleiber lösen oder das Labyrinth durchschreiten: Männer unter Männern, das funktioniert bekanntermaßen schon lange! Dazu kommt, dass die beiden Königinnen, um die es eigentlich gehen sollte, nie wirklich frei waren oder sind, sondern sich immer auch als Objekt des Begehrens dieser Männer wahrnehmen oder so wahrgenommen werden.
Glänzende Burgtheaterstars Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau

Nur einmal ist die Bühne frei von allen Lüstlingen, die einem irgendwann ohnehin ein wenig auf die Nerven gehen mit ihren Licht-aus-Spot-an-Auftritten: dann wenn sich die beiden Frauen zum ersten und einzigen mal begegnen, wenn sie sich einmal nahe kommen und doch zueinander nicht können, Maria und Elisabeth, Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau, zwei Burgtheaterstars, zwei Schauspielerinnen, die die Hoheit gleichsam im kleinen Finger haben und die Schattierungen der Angst oder des Hasses in die Nuancen ihrer Stimme legen.
Friedrich Schillers „Maria Stuart“ also als jambengetreue Tiefenanalyse von Machtverhältnissen im Kosmos der Geschlechter. Ebenso wuchtig wie immer wieder auch bildstark, dabei aber zugleich auch ziemlich erdenschwer und: garantiert humorfrei. Da wo Martin Kusej draufsteht ist eben Martin Kusej drin. Auch bei den Salzburger Festspielen.