Intendant des Schauspiels Stuttgart geht am Ende der Spielzeit

Armin Petras - ein Stuttgarter Irrtum

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Am 8.6.2018 von Christian Gampert

Eine Stuttgarter Ära geht zu Ende: Armin Petras verlässt das Stuttgarter Schauspiel zum Ende der Spielzeit - obwohl sein Vertrag eigentlich noch bis 2021 läuft. Petras verlasse Stuttgart „aus persönlichen und familiären Gründen“, hieß es in einer Mitteilung. Medien beobachteten eine „diffuse Missstimmung“ am Staatstheater. Im Interview mit der Stuttgarter Zeitung zeigte sich Petras dünnhäutig auf Fragen nach seiner künstlerischen Bilanz. Was bleibt, ist der Eindruck eines Stuttgarter Irrtums.

Keine innere Verbindung zu Stuttgart und Theater

Ist Armin Petras überhaupt je in Stuttgart angekommen? Anders gefragt: war er überhaupt je da? Die Frage betrifft einerseits die innere Verbindung des Intendanten zu seinem Theater und der Stadt, und die war offenbar nie besonders groß. Sie betrifft aber auch die rein körperliche Präsenz des Theaterleiters.

Auch die sah so aus, dass Petras häufig eher anderswo inszenierte als am eigenen Haus, ein notorischer Fremdgeher. Wir wollen die auswärtigen Inszenierungen lieber nicht zählen. Während andere Intendanten die stilprägenden Regisseure des eigenen Theaters sind oder sein wollen, war das Petras völlig egal.

Start nach Maß mit "Onkel Wanja"

Er engagierte hoffnungsvolle (und immer öfter auch überschätzte) Jungregisseure und ließ sie mal machen. So als cooler Papa im Hintergrund ließ es sich gut leben – auch wenn mit der Zeit auffiel, dass da jemand ein wahrscheinlich sechsstelliges Jahresgehalt abzockte, der oft irgendwo in der Weltgeschichte herumturnte.

Armin Petras hat in Stuttgart eigentlich gut angefangen. In Erinnerung bleibt vor allem sein Eröffnungswochenende im Oktober 2013, als er selber ein zynisches, unterhaltsames Weltuntergangs-Stück inszenierte und Robert Borgmann einen originell zerfaserten, zerdehnten, in die Länge gezogenen „Onkel Wanja“ bot, der die Wut des Premierenpublikum erregte, dann aber gleich zum Theatertreffen eingeladen wurde. Das war eigentlich ein Start nach Maß.

Als Regisseur bald immer konfuser

Aber mit der Zeit stellte sich immer mehr heraus, dass Petras mit dem großen Haus wenig anfangen konnte und auch als Regisseur immer konfuser wurde. Er war vom kleinen, armen Berliner Gorki-Theater gekommen, wo man mit popkultureller Gebärde und linker Weltanschauung schon der Liebling des alternativen Milieus ist.

In Stuttgart reicht das nicht, hier will ein großes und, ja, auch bildungsbürgerliches Publikum gewonnen werden. Petras hatte auf einmal einen großen Etat und konnte viel Geld verteilen – anders gesagt: er konnte auch viel Geld zum Fenster hinauswerfen, für teure Bühnenbilder und teure Gäste, ohne dass jemand stutzig geworden wäre.

Unnötige Vertragsverlängerung 2015

Die in Theaterdingen eher inkompetente Kunstministerin Theresia Bauer von den Grünen jedenfalls verlängerte Petras Ende 2015 ohne Not den Vertrag, obgleich er bis dahin wenig zuwege gebracht hatte.

Petras hatte im „Nord“ eine Spielstätte für die progressive Jugend etabliert; diverse Festivals beschworen das geeinte Europa, man war solidarisch mit Migranten und Flüchtlingen, was als Thema natürlich auch in den Inszenierungen auftauchte. Aber das allein kostet ja nichts: auf die Ästhetik kommt es an.

Bisweilen tolles Schauspieler-Theater

Und bei Petras galt da: je unübersichtlicher, desto besser. Immer wieder inszenierten der lustige Jan Bosse, der langweilige Martin Laberenz, der im Schauspiel überforderte Sebastian Baumgarten, der besser in der Oper aufgehoben ist.

Petras hat einige großartige Schauspieler nach Stuttgart geholt, Astrid Meyerfeldt, Peter Kurth. Und bisweilen gab es ja auch tolles Schauspieler-Theater. Aber je länger Petras in Stuttgart amtierte, desto mehr hielt offenbar sein Stellvertreter Klaus Dörr als Stallwache den Laden am Laufen.

Große Anstrengungen ohne ästhetische Handschrift

Das heißt: in Stuttgart haben sehr viele Leute sehr viel gearbeitet, von der Pressestelle und den Werkstätten bis zu den Schauspielern, ohne dass ein Konzept, eine politische oder ästhetische Handschrift sichtbar geworden wäre.

Postmodernes Chaos auf der Bühne: ja, soll sein. Aber ist auch das nicht schon ein bißchen altbacken und spießig? Die Intendanz des Armin Petras war für Stuttgart ein Irrtum. Das Publikum dezimierte sich.

Warum ist Petras Intendant geworden?

Im Magazin der Staatstheater erzählt Petras im Interview, er möchte mit Tieren unterwegs sein, den Nordpol sehen und wochenlang auf hohe Berge klettern. Die Frage ist nur, wieso er dann Theaterintendant geworden ist.

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SWR