Opernrezension

Gounods „Roméo et Juliette“ am Opernhaus Zürich

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Bernd Künzig
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Sebastian Kiefl

„Romeo und Julia“ sind als bekanntestes Liebespaar der Welt Gegenstand zahlloser Bearbeitungen im Musiktheater geworden. Charles Gounod komponierte 1867 eine besonders sinnliche und melodiensatte Oper aus Anlass der Pariser Weltausstellung. Am Opernhaus Zürich ist Gounods Meisterstück nun in einer konzentrierten Inszenierung des Amerikaners Ted Huffmann über die Bühne gegangen und die neue Tenorhoffnung Benjamin Bernheim singt den Romèo.

Eine Oper für Walzer-Fans

Wäre der Titel „Aufforderung zum Tanz“ nicht an ein Stück von Carl Maria von Weber vergeben, man könnte ihn getrost auf den Beginn der Inszenierung Ted Huffmanns von Charles Gounods Oper „Roméo et Juliette“ am Opernhaus Zürich übertragen.

Ein blau-grauer Kasten, vorne offen, hinten begrenzt von einer Wand, rechts und links jeweils zwei Seitentüren für die Auftritte. Dieser seitlich nur mit zwei sich in der Weite verlierenden Stuhlreihen bestückte Raum von Andrew Lieberman bildet die Tanzfläche für den Ball bei Capulet, auf dem Roméo Juliette begegnet und sich unsterblich in sie verliebt.

Mehrere Tänzer geben sich die Hand auf der Bühne. (Foto: Pressestelle, Herwig Prammer)
Die Inszenierung ist sehr schlicht gehalten, im Vordergrund stehen die Tänze. Ted Huffman führt Regie, Andrew Lieberman gestaltete das Bühnenbild.

In erster Linie ist dies ein musikalischer Raum, denn der Walzerrhythmus ist in den ersten beiden Akten der Oper vorherrschend. Kaum eine Szene und Nummer ohne einen Rhythmus im Dreiertakt. Schon Juliettes lebenslustige Arie ist ein gesungener Walzer. Es ist der Modetanz schlechthin zur Entstehungszeit dieser Oper und katapultiert das Renaissance-Stück in die Gegenwart. Ein Tanz ist diese Musik aber auch, weil sie sich vom Freudigen zunehmend in einen Totentanz wandelt.

Tragische Handlung ohne Gewinner

Roméo tötet Juliettes Vetter aus Wut, denn Tybalt hat zuvor seinen Freund Mercutio im Duell erstochen. Juliette nimmt Gift, das sie in einen todähnlichen Schlaf versetzt, damit sie den ihr vom Vater aufgedrängten Paris nicht heiraten muss. Roméo vergiftet sich, weil er irrtümlich die Geliebte tot glaubt, und Juliette erdolcht sich, um sich im Sterben mit Roméo zu vereinen.

Alles wird tragisch verengt und zugespitzt. Am Anfang soll die Weite der Welt durch die Nähe der liebenden Begegnung kleiner werden. Mit der Liebesszene in der zweiten Hälfte drängt die rückwärtige Wand immer weiter nach vorne und begrenzt das letzte Duett der Liebenden, das allein den fünften Akt bildet, an der Rampe. Es ist die enge Nähe der Gruft.

Tybalt schaut erschöpft, Mercutio liegt sterbend auf einem Stuhl. (Foto: Pressestelle, Herwig Prammer)
Tybalt (Omer Kobiljak, rechts) siegt im Duell über Roméos Freund Mercutio (Yuriy Hadzetskyy). Bild in Detailansicht öffnen
Roméo (Benjamin Bernheim, links) nimmt Rache und tötet Tybalt (Omer Kobiljak, am Boden liegend). Bild in Detailansicht öffnen
Juliette (Julie Fuchs) nimmt den Trank, der ihren Tod vortäuschen soll. Bild in Detailansicht öffnen
Es war Liebe auf den ersten Blick bei Roméo (Benjamin Bernheim) und Juliette (Julie Fuchs). Bild in Detailansicht öffnen

Inszenierung wie bei Shakespeare

Die Inszenierung ist ganz im Sinn einer Shakespeare-Bühne: keine illustrative Kulisse, keine Requisiten, nur Körper. Aber auch ganz aus dem auf Shakespeare vertrauenden Geist Gounods: eine Engführung auf das Titelpaar. Welche Oper bietet schon vier große Duette für ein Liebespaar, eines davon in Aktlänge? Der für den Regisseur Ted Huffman charakteristische, reduktionistische Stil kennt eigentlich nur ein gestalterisches Prinzip: das kongeniale Inszenieren von Musik.

Es ist in Zürich ganz auf die beiden Protagonisten zugeschnitten. Benjamin Bernheim und Julie Fuchs als Roméo und Juliette sind hinreißend grandios und passgenau. Ein echtes Paar, bei dem Leben und Kunst zusammenfließen. Sie mit jugendlich klarem Sopran, er als netter Junge mit betörender Kopfstimme im Piano. Lyrisch ohne falsche Sentimentalität. Die übrigen Rollen alle tadellos besetzt. Brent Michael Smith als das Paar vereinender Bruder Laurent verkörpert das feierliche dieser Liebeshochzeit. Der leichte Koloratursopran von Svetlina Stoyanova als Roméos provozierender Page Stéphano ist zudem eine Entdeckung.

Musikalisch abgerundet

Der Dirigent Roberto Forés Veses hat sich mit der Philharmonia Zürich ganz auf das hochmusikalische und dennoch schnörkellos entschlackte Konzept der Inszenierung eingelassen. Da klingt keine falsche Gefühligkeit auf, manchmal ist es holzschnittartig hart, die Holzbläser äußerst nuanciert, die Streicher perfekt ausbalanciert, forciert wo es im Kampf der verfeindeten Familien hoch hergeht, walzerselig beschwingt und am Ende zum Sterben schön.

Ein toller Abend für den immer noch unterschätzten Charles Gounod und sein Meisterstück „Roméo et Juliette“.

Charles Gounod: Roméo et Juliette am Opernhaus Zürich. Bei Arte Concert bis zum 09. Juni 2023 ansehen

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