Schmerz und Qualen auf der Bühne
Große schwarze Kisten hängen über Körpern, die sich vor Schmerzen winden. Man sieht keine Gesichter, nur die Rümpfe, Arme und Beine. Auf die Kisten wird getrommelt. Die Körper werden geschlagen, gequält, manche raffen sich mit letzter Kraft schließlich davon. Die Beine knicken ein.
Paukenschläge donnern durch das Staatstheater. Stroboskoplicht blendet, völlige Dunkelheit irritiert. „Freedom“ heißt die Tanzperformance von Club Guy&Roni.
Das Schicksal von dem Ex-Guantánamo-Häftling Mohamedou Ould Slahi ist stellvertretend für viele, sagt der Choreograf Guy Weizman: „Wir wollen seine Geschichte auch aus anderen Perspektiven erzählen. Mohamedou Ould Slahi hat die Guantánamo-Tagebücher geschrieben, aber es gibt auch viele Stimmen, die in der Gesellschaft nicht gehört werden.“
Tanz bedeutet Freiheit
Tänzer und Tänzerinnen als Häftlinge, sie rotten sich zusammen, planen einen Ausbruch. Vielleicht ist die Szene auch nur ein Traum. 14 Jahre verbrachte Slahi unter unmenschlichen Bedingungen in Haft, wurde gefoltert und vergewaltigt.
All das beschreibt er in seinem Tagebuch. Guy Weizman hat daraus eine Performance gemacht: „Möglicherweise ist Tanz die physisch freieste Kunst. Wir befreien unseren Körper von der Schwerkraft, von körperlichen und geistigen Grenzen. Tanz ist die perfekte Disziplin, um Freiheit zu diskutieren.“
Keine Einreiseerlaubnis für Slahi
Slahi hat das Drehbuch verfasst und würde normalerweise auch mit auf der Bühne stehen, denn er ist mittlerweile festes Mitglied von Club Guy and Roni. Aber er hat keine Einreisegenehmigung für Deutschland bekommen.
Angela Herenda ist Tänzerin in diesem Stück und erzählt, wie sie es für sie ist, seine Gedanken zu tanzen: „Ich bin eine Frau, eine weiße Frau. Ich spiele ihn nicht. Aber wir sind alle irgendwie ein Teil von ihm. Fragmente von Emotionen in seinem Kopf.“
Eine Tanzperformance, die erschüttert
Ein Mann jagt ein Kreidestück über eine große Platte, die von oben herabhängt. Zum Hämmern der Fäuste anderer, führt er eine Strichliste. Zählt die Tage, immer schneller seine Bewegungen, immer lauter das Getrommel der Perkussionsgruppe Slagwerk. Am Ende überrascht ein langes, fast intimes Duo von einem Mann und einer Frau, das im Tod endet.
Die Szene hat Mohamedou seiner Mutter gewidmet. „Sie starb während er in Haft war. Er hatte nie die Chance, sich von seiner Mutter zu verabschieden und ihr zu sagen, dass er noch am Leben ist“, sagt Weizman. „Wir denken, dass das die größte Tragödie in seinem Leben ist.“
Die Tanzperformance „Freedom” bietet keinen erholsamen Theaterabend. Sie erschüttert, macht nachdenklich und hinterfragt mit den Mitteln der Musik und des Tanzes, was Freiheit heute bedeutet.