Die Hauptperson bleibt distanzierter Beobachter
Der arbeitslos gewordenen Werbetexter Jakob Fabian durchstreift das Berliner Nachtleben und betäubt sich mit Vergnügungen. Der ungarische Regisseur Viktor Bodó zeichnet Fabian als distanzierten Beobachter, der versucht, sich aus allem rauszuhalten.
Eine bequeme, aber extrem demokratiegefährdende Haltung, die auch heute viele einnehmen. Eine Anstellung bei einem rechten Blatt lehnt Fabian aus moralischen Gründen allerdings ab. In den politischen Konflikt zwischen Kommunisten und Nationalsozialisten mischt er sich jedoch nicht ein. Er bleibt ein Beobachter, der am Rand steht.

Kästners Text funktioniert auch heute
Als rasante Revue bringt der ungarische Regisseur Kästners satirisches Sittengemälde auf die Bühne. In den Bars und Puffs geht es drunter und drüber. Mitreißend singt, steppt und tanzt das spielfreudige 16-köpfige Ensemble im Zwanziger-Jahre Fummel über die Bühne.

Erich Kästners scharfzüngiger Text und sein Witz funktionieren noch bestens. Letztlich geht es im Stück auch um soziale Gerechtigkeit, sexuelle Ausbeutung – und das Aufkommen rechtspopulistischer Kräfte. Nach einer unglücklichen Liebschaft und dem Selbstmord seines besten Freundes flieht Fabian aus Berlin.
Wohin driftet Europa — damals wie heute?
Er ertrinkt, als er einen Jungen aus einem Fluss zieht, weil er selbst Nichtschwimmer ist. „Lernt schwimmen“ blinkt am Ende eine Leuchtschrift auf. Als „mischt Euch ein“, könnte man das auch interpretieren. Denn wer weiß, wohin das größtenteils demokratische Europa sonst noch driftet. Es ist bestimmt kein Zufall, dass ein ungarischer Regisseur, diese Botschaft ans Ende dieses gelungenen Abends setzt.
Die nächsten Vorstellungen von „Fabian oder der Gang vor die Hunde“ in der Inszenierung von Viktor Bodó am Schauspiel Stuttgart finden am 21., 22. und 23. März, sowie 14. April 2022 statt.