Der 50-köpfige Stadtchor der Jungen Oper im Nord (JOiN) besingt ein vergessenes Flüsschen, den Nesenbach, der einst mitten durch Stuttgart verlief und heute weitgehend unterirdisch verläuft.
Politische Botschaften und ein gelungenes Bühnenbild
Im Laufe des gut halbstündigen Straßenoratoriums, das von 50 Laien-Chorist*innen jeden Alters gesungen wird, erfahren wir, dass der Nesenbach mit Abfällen der Stuttgarter Färbereien, Gerbereien und Metzgereien ab dem 17. Jahrhundert stark verunreinigt wurde.
Darauf verweist auch das gelungene Bühnenbild, dessen zentrales Element blaue Giftmülltonnen sind. Die Komponistin Susanne Hinkelbein bringt in ihrem Werk nicht nur die Geschichte des Flüsschens zum Klingen, immer wieder tauchen auch politische Botschaften in ihrem Straßenoratorium auf.
So nimmt sie auch Bezug auf die ansässige Industrie, Bosch und Mercedes, und spielt auf die Bohrungen an, die im Rahmen von Stuttgart 21 in der Stadt stattfinden.
Die Corona-Pandemie ließ das Projekt lange auf der Kippe stehen
Ob das aufwendig inszenierte Straßenoratorium aufgrund der Pandemie wirklich zur Aufführung kommen kann, war bis kurz vorher nicht klar. Die künstlerische Leiterin der Jungen Oper im Nord Elena Tzavara: „Wir hatten diesen dritten Juli als Uraufführungstermin schon vor Corona genannt, und dürfen das jetzt machen. Das ist wirklich ein kleines Wunder. Und dass die solange durchgehalten haben mit der virtuellen Probesituation, das war wirklich nicht einfach.“
Apropos Wunder: Auch Stuttgarts Wunderkind, der Philosoph Hegel, wird im Straßenoratorium Nesenbach besungen. Überhaupt wird Susanne Hinkelbein immer wieder philosophisch: zum Beispiel wenn sie Heraklits Panta Rhei, „alles fließt“, zitiert - oder den bekannten Satz: Man kann nicht zwei Mal in denselben Fluss steigen.
Eine abwechslungsreiche und humorvolle Homage an den Nesenbach
Beim Publikum, das nach langer Zeit wieder eine Kulturveranstaltung erleben konnte, kam der Nesenbach ausgezeichnet an. Ein Besuch des Straßenoratoriums Nesenbach lohnt auf jeden Fall!
Es ist eine abwechslungsreiche und humorvolle Hommage an ein Flüsschen, das für viele Stuttgarter in Vergessenheit geraten ist. Ein Flüsschen, das sich allerdings, auch nachdem es unter die Erde verdammt wurde, nie unterkriegen ließ.
Das Straßenoratorium ist bis 10.7. entlang des Nesenbachs zu sehen
Das Straßenoratorium „Nesenbach“ ist noch bis Samstag, den 10.7.2021, jeden Abend in Stuttgart zu sehen. Für insgesamt acht Abende wandert es nämlich jedes Mal ein Stück weiter den Verlauf des Nesenbachs entlang und endet am Samstag dann am Neckar beim Mercedes-Benz-Museum. Alle Aufführungen sind kostenlos.