Bühne

„Der Barbier von Sevilla“: Tierischer Spaß am Theater Heidelberg

Stand
AUTOR/IN
Bernd Künzig
ONLINEFASSUNG
Lydia Huckebrink

Gioacchino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ ist so komisch, dass es an Slapstick grenzt. Auch in musikalischer Hinsicht, denn Rossini hat den Sängerinnen und Sängern regelrecht Hochgeschwindigkeits-Singen verordnet. In Heidelberg setzt Regisseurin Inga Levant den Opernturbo mit tierischem Spaß in Szene – langweilig wird das nie.

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Dieses Sevilla ist nicht von dieser Welt

Der Barbier hat ganze Arbeit geleistet. In Gioacchino Rossinis „Der Barbier von Sevilla“ am Theater Heidelberg tritt nicht nur Figaro mit einer aberwitzigen Perücke auf, sondern auch Graf Almaviva und die von ihm begehrte Rosina.

Pinkfarbene Schlaghosen und rosa brustfreie Rüschenhemden gehören ebenso zur bizarren Ausstattung von Petra Korink. Dieses Sevilla ist jedenfalls nicht ganz von dieser Welt.

Il barbiere di Siviglia am Theater Heidelberg  (Foto: Pressestelle, Fotografin: Susanne Reichardt  )
In der Heidelberger Inszenierung reiht sich Gag an Gag. Langweilig wird es nie.

Ein absurder Kontinent, gelegen zwischen Wassily Kandinskys abstrakter Verformung von Häusern und Hügeln, Joan Miros fantastischen Wüsten und dem Wunderland von Lewis Carrolls Alice. Am Ende lässt Regisseurin Inga Levant den betrogenen, hintergangenen und sitzengelassenen Doktor Bartolo kurz aus Lewis Carrols „Jabberwocky“-Gedicht zitieren.

 Rossinis Musik hat Humor

Eine sinnvolle Handlung gibt es da kaum noch. Das hängt aber auch schon mit Rossinis durchaus genialem, präsurrealistischem Musikhumor zusammen. Schon die sich zum Ende hin gewittterartig entladende Ouvertüre stammt ursprünglich aus einer ganz anderen Oper, ist aber passgenau für jenen Sturm auf das Haus des Bartolo.

Mit Hilfe des schlauen Figaros entwendet Graf Almaviva dem heiratswütigen Doktor Bartolo sein gar nicht unschuldiges Mündel Rosina. Um mehr geht es in dieser Oper eigentlich nicht. 

Il barbiere di Siviglia am Theater Heidelberg  (Foto: Pressestelle, Fotografin: Susanne Reichardt  )
Stefan Stoll als Doktor Bartolo, João Terleira als Graf Almaviva und Katarina Korfa als Rosina.

Diese Kaum-Handlung und Verkleidungsposse entfesselt aber eine mechanisch ablaufende Beschleunigungsmaschine, bei der sich der Sinn der gesungenen Worte in brillantem, vokalem Nonsens auflöst. Und das ist tatsächlich eine musikalische Angelegenheit ganz aus dem Geist von Lewis Carrolls absurden Alice-Geschichten Avant la Lettre.

 Ein surreal-bunter Zirkus

Und so inszeniert Inga Levant einen surreal bunten Zirkus, bei dem ein Flamingo, ein ausgestopfter Bär, Elefant und Hai zunehmend die Bühne bevölkern. Almaviva, mit Elvis-Hüftschwung am Anfang, dringt in Samurai-Rüstung und dann als Fliege in Bartolos Haus vor.

Auch die Musik bleibt davon nicht verschont. Wenn Almaviva für den angeblich erkrankten Musiklehrer Basilio beim Gesangsunterricht für Rosina einspringt, dann wird nicht nur Rossini, sondern auch Mozart, Wagner und die Avantgarde durch den Kakao gezogen.

Das alles ist amüsant und passgenau zur Musik inszeniert. Am Ende ist es vielleicht des einen oder anderen Gags zuviel, aber langweilig ist es nie.

 Starkes Ensemble in Heidelberg

Es funktioniert vor allem dank eines starken Ensembles. Joao Terleira ist ein ganz fabelhafter Almaviva, der das für Rossini so wichtige Koloratursingen beherrscht und in der Höhe mit einem akzentuiert gestalterisch eingesetzten Vibrato singt.

Der Bartolo von Stefan Stoll ist auch stimmlich ein herrlich komisches Urviech und verfügt auch über die Melancholie des Clowns. Ipca Ramanovic verkörpert den Figaro als Überflieger, wenn er mit seiner berühmten, bravourös gemeisterten Auftrittsarie im Flieger hereinschwebt. Als Basilio jongliert James Homann nicht nur seine ihm verordneten Maracas, sondern auch die Töne durch seine mächtigen Basslagen.

 Orchester und Gesang perfekt koordiniert

Als Rosina ist Katerina Morfa ein erfahren ausgebufftes, fast schon überreifes Mündel. Das Philharmonische Orchester Heidelberg lässt sich mit dem Dirigat von Paul Taubitz auf diesen überbordenden Surrealismus ein und ist dennoch perfekt koordiniert mit dem Geschehen auf der Bühne.

Mit diesem „Barbier von Sevilla“ kann man Spaß haben am Theater Heidelberg. Es muss ja nicht immer über die revolutionäre Sprengkraft einer großen Opernerfindung sinniert werden. Das kann auch ein andermal erzählt werden.

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