Nationaltheater Mannheim im Ausweichquartier

Mozart im Schlosstheater Schwetzingen: „Die Hochzeit des Figaro“

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AUTOR/IN
Bernd Künzig

Da das Haupthaus in Mannheim derzeit renoviert wird, hat das Nationaltheater mit dem Rokokotheater des Schwetzinger Schlosses die ideale Ausweichspielstätte gefunden. Als zweite Oper im Da-Ponte-Zyklus inszeniert Barbora Horáková hier Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“, musikalisch geleitet von Salvatore Percacciolo. Diese filmreife Aufführung ist absolut hörens- und sehenswert.

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Folgerichtig: Mozart-Klassiker im Schwetzinger Rokokotheater

Täter kehren gerne an die Orte ihres Wirkens zurück. Wenn es in einer Oper des ausgehenden 18. Jahrhunderts dabei um das „Recht auf die erste Nacht“ durch einen Feudalherren geht, dann ist das Ambiente eines Rokokotheaters durchaus richtig gewählt.

Das Nationaltheater Mannheim lässt Wolfgang Amadeus Mozarts revolutionäre Auseinandersetzung mit dem alten Zopf des Feudalismus in „Die Hochzeit des Figaro“ geradezu folgerichtig im Theater des Schwetzinger Schlosses über die Bühne gehen. 

Die Hochzeit des Figaro am NTM Schwetzingen (Foto: Pressestelle, Christian Kleiner)
Frischverliebt: Marcel Brunner als Figaro mit Amelia Scicolone als seine Verlobte Susanna. Pressestelle Christian Kleiner

Die feudalen Zeiten sind in der Inszenierung von Barbora Horáková vorbei

Almaviva ist als Immobilienhai Herr über eine hübsche Neubausiedlung auf dem grünen Rasen. Seinen Angestellten Figaro und Susanna überlässt er ein Häuschen schlüsselfertig zum Einzug. Was eben auch heißt, dass er die Schlüsselgewalt hat, um sich Zutritt für sexuelle Abenteuer zu verschaffen. Am Anfang ist das alles noch recht lustig und bunt. Bettina Ostermeier als Party-DJ greift auf der Bühne am Synthesizer, mit dem Akkordeon und einem Saxophon freizügig in Mozarts Rezitative ein.

Vor dem Auftritt der Gräfin Rosina im zweiten Akt gibt es ein filmisches Intermezzo. Begleitet von melancholischer Filmmusik aus der Feder Nino Rotas wird hier die Vorgeschichte des Paares Almaviva und Rosina erzählt, von der glücklichen Hochzeit, über die Geburt des Kindes bis zu dessen plötzlichem Tod in der Wiege.

So erklärt sich die musikalische Melancholie der Gräfin, aber auch die verzweifelten Nachstellungen des Gatten. Wenn der zur Versteckposse ins Gemach eindringt, dann ertönt absurd komisch das dunkel dräuende Motiv aus John Williams Musik zum „Weißen Hai“.

Die Hochzeit des Figaro am NTM Schwetzingen (Foto: Pressestelle, Christian Kleiner)
Die Eskapaden ihres Gatten setzen Gräfin Almaviva (Seunghee Kho) zu. Pressestelle Christian Kleiner

Immer surrealer kippt der „tolle Tag“, wie die Oper im Untertitel heißt, ins Verrückte

Die Hochzeitsgesellschaft nach all den gelösten Intrigen trägt Horrormasken; das finale Verkleidungsspiel findet im Garten überdimensionaler Pilze statt. Am Himmel kommt ein kraterübersäter Planet dieser durchdrehenden Fantasiewelt immer näher.

Aber der Kollisionskurs bleibt unbemerkt, die Ohrfeigen mit anschließender Verzeihung gehen vorüber und am Ende fegt Mozarts Finalsturm die Protagonisten an die Rampe, wo sie flehentlich an der Kinderwiege auf den Nachwuchs hoffen.

In der Entstehungszeit der Oper, im ausgehenden 18. Jahrhundert erledigt die Revolution das Problem einer orientierungslosen Generation, heute droht uns in dieser filmreifen Ausstattung von Falko Herold die kosmische Katastrophe. Barbora Horáková inszeniert auch musikalisch folgerichtig: Mozarts komische Oper ist und bleibt ein doppelbödiger Geniestreich, Unbehagen inbegriffen.

Die Spielfreude des jungen Ensembles hört und sieht man

Für dieses Musiktheater ist eine homogene Ensembleleistung eine Grundvoraussetzung. Sie ist hier mehr als erfüllt. Es sind vor allem junge Sängerinnen und Sänger, die stimmlich und darstellerisch mit Höchstleistungen begeistern. Allen voran der fabelhafte Marcel Brunner als Figaro. 

Traumatisierte Sexyness besitzt der Almaviva von Ilya Lapich. Eine melancholisch traumschöne, sich in Alkohol und Fresssucht flüchtende Gräfin gibt Seunghee Kho. Die Susanna der Amelia Scicolone hält auch vokal die Fäden in der Hand. Und der Cherubino von Shachar Lavi ist als sinnlicher Mezzosopran ein geradezu unwiderstehliches Sexmonster als frühreifer Punkrocker auf Droge Pilz.

Am Pult des bestens disponierten Nationaltheaters braucht Salvatore Percacciolo die Zeit der ersten beiden Akte, um der Neubausiedlung am Abgrund das notwendige Tempo einzuheizen. Diese filmreife Aufführung ist absolut hörens- und sehenswert.

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