Die Juristin und Autorin Seyran Ates gehört zu den wichtigsten Stimmen im Kampf gegen religiöse und traditionsgebundene Gewalt. Nun hat sie den Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen erhalten.
Politischer Mut: Das ist es, was mit dem Theodor-Haecker-Preis der Stadt Esslingen honoriert wird. Und politischen Mut kann man Seyran Ates sicherlich nicht absprechen: Die Juristin und Autorin mit kurdischen und türkischen Wurzeln gehört zu den wichtigsten Stimmen im Kampf gegen religiöse und traditionsgebundene Gewalt. Sie hat in Berlin eine alternative Moschee gegründet und setzt sich für einen friedlichen, demokratischen, gewalt- und diskriminierungsfreien Islam ein.
Seit fast 17 Jahren steht Ates unter Personenschutz
Das hat ihr Leben erheblich beeinflusst: Seit fast 17 Jahren steht Ates unter Personenschutz. Seit sie sich dafür eingesetzt hat, dass „Zwangsheirat“ als eigener Tatbestand ins Strafgesetzbuch aufgenommen wurde. Dass das 2011 schließlich gelang, habe ihr Mut und Kraft gegeben, so Ates bei SWR2. Der Preis dafür aber war hoch: Sie erhält seither regelmäßig Morddrohungen, schloss aus Angst zeitweise ihre Kanzlei.
Gegenwärtig macht sie im Austausch mit muslimischen Schülerinnen und Schülern Gegensätzliches aus: Zum einen fühle sich „die Mehrheit der Menschen aus der Migrantengruppe in Deutschland wohl – aber nicht beheimatet“, sagt Ates.
Ihr Plädoyer an die Jugendlichen: „Redet miteinander!“
Andererseits wachse die Zahl der Kinder, die „Deutschland sehr feindselig gegenüberstehen“. Das liege daran, so die Autorin, dass sie sich fortwährend in einem „Opferdiskurs“ befänden. Sie stellten negative Ereignisse wie rassistische Übergriffe und Anfeindungen „so dermaßen in den Vordergrund, dass sie dem Rest der deutschen Gesellschaft, die nicht-rassistisch ist, keine Chance geben.“
Ihr Plädoyer an die Jugendlichen: „Redet miteinander, geht in die Kommunikation!“ Denn das führe zu zu mehr Offenheit für andere Kulturen. Aber auch an die Politik, insbesondere die Bildungspolitik, hat Ates eine klare Botschaft: „Ganz Deutschland gehört reformiert im Hinblick auf die Einwanderungsgesellschaft.“
Der Theodor-Haecker-Preis bestärke sie in ihrer Überzeugung, dass es „in Ordnung“ sei, was sie mache, sagt Ates – „in dem Sinne, dass Menschen das wirklich brauchen“.
Zeitgenossen Seyran Ateş, Rechtsanwältin und Publizistin, im Gespräch
Für Seyran Ateş, Vorkämpferin in Sachen Kopftuchverbot, ist Toleranz gegenüber den Parallelwelten mancher Migranten erklärtermaßen eine Form der Ignoranz. Wegen Morddrohungen tritt die 56-Jährige nur noch mit Personenschutz auf. 2017 hat Seyran Ateş im Berliner Stadtteil Moabit die liberale Ibn-Rushd-Goethe Moschee eröffnet.