Ein Stück von Bertolt Brecht und Kurt Weill
Das Pulver wird gleich am Anfang verschossen: Zwei in der Wüste strandende Gauner auf der Flucht sind als Rabbi und Pfarrer verkleidet. Gemeinsam mit Leokadja Begbick gründen sie die Stadt Mahagonny, in deren Netz sich die Goldgräber mit ihrem Erworbenen verfangen sollen.
Dem Rabbi schneidet die Begbick die Zöpfe ab, dem Pfarrer knüpft sie den Rock auf. Die Parodie des biblischen Mythos vom gelobten Land haben Bertolt Brecht und Kurt Weill in „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ durchaus im Sinn gehabt, auch in Anspielung auf die Städte Sodom und Gomorra und die Anbetung des Götzen Mammon.
Der „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ zieht sich statisch hin und wirkt zäh
Der Zugriff von Regisseur Barrie Kosky an der Komischen Oper in Berlin ist zunächst hintersinnig klug. Doch dann zieht sich die Sache zäh und statisch hin. Die Geschichte des Goldgräbers Jim Mahoney wird recht beiläufig erzählt. Erst nach der Pause, nachdem der Vernichtungs-Hurrikan vorbeigezogen ist, scheitert Mahoney an dem von ihm selbst aufgestellten Vergnügungsgeboten.
Als er sein Geld im Boxkampf auf den Falschen setzt, ist er pleite und lädt trotzdem alle zum vierten Gebot des besinnungslosen Saufens ein. Nur bezahlen kann er nicht. Auf den Geldverlust steht in Mahagonny die Todesstrafe. Und so wird er gerichtet.
Kosky macht aus der Antioper ein biblisches Oratorium
Da packt Kosky die Werkzeuge der sadistischen Lust an der Passionsdarstellung mit Geißelung, Blendung und Hinrichtung aus. Am Ende sticht jeder einmal auf den zum Tode Verurteilten ein. Allerdings mit dem immer wieder deutlich einschnappenden Theatermesser.
Der Leichnam bleibt im letzten Akt in seinem Blut liegen und der Schluss dröhnt als tragischer Trauerchor aus den Lautsprechern über die leere Bühne. Kosky fasst die Antioper als biblisches Oratorium auf.
In der Partitur gibt es in der Tat allerlei Anspielungen auf die Musikgeschichte und explizit an Bachchoräle. Allerdings ist das parodistisch, wenn nicht sogar ironisch zynisch gemeint. An der komischen Oper wird das aber ernst genommen.
Keinerlei Personenzeichnung
Meist steht der Chor wie eine Klangsäule im keilförmigen Bühnenraum von Klaus Grünberg. Von Personenzeichnung keine Spur. Das überrascht bei Barrie Kosky, der sonst in Sachen Personen- und Chorregie einfallsreich, choreografisch vituos und musikalisch genau ist.
Die Passion Jim Mahoneys soll eine mitleidserregende Angelegenheit sein. Derartiges Pathos widerspricht gründlich den Absichten des Schöpferduos. Dass es hier eigentlich um die bissige Hinterfragung der postchristlichen Gebote der Geldherrschaft geht, scheint Kosky wenig zu interessieren.
Und das ausgerechnet in der Stadt, die vor allem eines sein will: Arm, aber sexy. Dergestalt werden Brecht und Weill auch in musikalischer Hinsicht gründlich gegen den Strich gebürstet. Die Partitur wird als große Oper serviert.
Ein Opernabend, der ratlos macht
Ainars Rubikis dirigiert pauschal, meist zu laut mit überwiegend zähen Tempi und raubt der Musik jeglichen Biss der Schmissigkeit eines Songspiels. Beim Schlusschor lärmt das Orchester in den Dimensionen einer Mahler-Sinfonie.
Die für dieses Stück so wichtige Textverständlichkeit bleibt größtenteils auf der Strecke. Nadja Mchantaf als Jenny wirkt überfordert und Allan Clayton gibt als Jim Mahoney einen sentimentalen Operntenor, wo eigentlich Bitterkeit angesagt wäre. Der Rest verharrt in solider Durchschnittlichkeit.
Es erschließt sich nicht, warum diese Antioper ins angepasste Format überführt werden muss. Ein ratlos machender Opernabend.