Bühne

Abgesang auf einen alten Cowboy – Molières Menschenfeind am Staatstheater Mainz

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AUTOR/IN
Maja Hattesen

Jan Friedrich inszeniert Jean Baptiste Molières „Der Menschenfeind” am Staatstheater Mainz als Abgesang auf einen Westernhelden. Ein Filmset auf der Bühne, das Publikum zum Hassen. Und dann lauert auch noch hinter der klapprigen Saloon-Tür ein Kamerateam, um die Schleimer und Heuchler zu belauschen.

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Klapprige Saloontür, Bretterbude Cowboyhüte ...

Es bleibt anfangs ziemlich lange hell im Zuschauerraum, das Publikum sieht, dass es Teil eines Filmsets werden könnte. Vielleicht die zur Warterei verdammte Statisterie eines Westernfilmdrehs? Eine klapprige Saloontür, Cowboyhüte. Eine Bretterbude nur, wie das Theater eben auch eine ist, wenn man es nicht in einen magischen Ort verwandelt. 

Der Menschenfeind (Foto: Pressestelle, Andreas Etter)
Henner Momann spielt den Menschenfeind Alceste als einen vom Weltekel zerfressener einsamernCowboy.

Der Menschenfeind als ein vom Weltekel zerfressener einsamer Cowboy

Der Menschenfeind Alceste ist ein vom Weltekel zerfressener einsamer Cowboy – gespielt von Henner Momann. „Once upon a time in Hollywood“, der jüngste  Tarantino-Film kommt einem sofort in den Sinn, der die untergehenden Tage der guten alten Hollywoodwestern mit einem selbstzweifelnden Leonardo di Caprio in der Hauptrolle des alternden Cowboy-Mimen beschwört. Hier ist es Alceste, der Menschenfeind, der „alle hasst“ – traurig schlabbert ihm der Pistolengurt um die Hüften.

Die meiste Zeit scheint dieser Menschenfeind auf dem Filmset in der Maske darauf zu warten, endlich für die große genial in Multicolor gedrehte Breitwand-Liebesszene oder wenigstens für eine Pferdekutschen-Ballerei abgeholt zu werden. 

Hier motzt ein Western-Misanthrop an gegen die Bussi-Bussi-Influencer-Gute Laune-Wel, die eben nicht in High-Quality schöne Bilder schafft, sondern mit Wackel-Kamera die wichtigsten Liebesszenen zu billig anmutenden Home-Videos vermasselt. 

Molières Schleimer von Kamerateam verfolgt

War es zu Molieres Lebzeiten das erstarrte aristokratische Unterdrückungssystem, in dem sich Heuchler und Schleimer ihren Weg nach oben durchs Lügengebäude bahnten, stolpert hier ein „Behind-The-Scenes-Kamerateam den Schauspielern hinterher – auf der Suche nach authentischen O-Tönen. Doch die sind nicht leicht zu finden.

Regisseur Jan Friedrich lässt an den Frauenrollen kein gutes Haar

Der Menschenfeind (Foto: Pressestelle, Andreas Etter)
Von der Regie zum zum Dauerlächeln verdammt im glitzernden Teletubbie-Strampler verdammt: hat Leandra Enders, (Iris Atzwanger)

Regisseur Jan Friedrich, der auch die Kostüme entwarf, lässt an den Frauenrollen kein gutes Haar – unverständlich, warum Alceste ausgerechnet Celimene als große Liebe auserkoren hat: Denn sie wird an diesem Abend zum Zerrbild Alcestes – im glitzernden Teletubbie-Strampler hat die Regie Leandra Enders zum Dauerlächeln verdammt – mit riesigen Ohren und einer Antenne, mit der sie ständig mit anderen Männern zu funken scheint. 

Überzeugend dagegen mit zartem Spiel auf der Mondscheinwippe: Carl Grübel als Eliante. Iris Atzwanger gibt die forsche Tugendwächterin- folgerichtig im amerikanischen Sauberfrauenkleid.  Hektisch swipt sie bei Tinder weg, was nicht passt. Als bemitleidenswerter alter weißer Mann schmeißt der Menschenfeind am Schluss hin, tritt den Rückzug an … nur wohin?  In eine Welt, die dem einzig Aufrechten anscheinend keinen Platz mehr lässt. 

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Maja Hattesen