Bühne

Rührende „Abgänge”: Theater Felina-Areal in Mannheim würdigt verstorbene Promis

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Am Mannheimer Theater Felina-Areal erinnern Sascha Koal und sein Schauspielteam alle ein bis zwei Monate an verstorbene Zeitgenossinnen und Zeitgenossen.

Der Schauspieler O.W Fischer im Film "Komm süßer Tod" von 1977 (Foto: picture-alliance / Reportdienste, akg-images)
Für die nächste Vorstellung hat Sascha Koal wieder einen alten Dialog aus „Liebesvögel“ ausgegraben („Komm süßer Tod“ mit O.W. Fischer in seiner letzten Rolle): „Der Film ist gedreht worden von Mario Ciano“, so Koal. „Für den haben wir das damals auch gelesen. Das ist ein paar Jahre her.“
Die Schauspielerin Claudine Auger um 1964 (Foto: IMAGO, HA)
„Jetzt“, so Sascha Koal, „machen wir das für Claudine Auger, die unter anderem in ,Feuerball‘ ein James-Bond-Girl gespielt hat.“ In „Liebesvögel“ von 1969 spielt Auger eine Ehefrau, die beim Besuch auf einem rätselhaften Schloss von dem Grafen und seiner jungen Schwester (O.W. Fischer und Christine Kaufmann) vor ihre sexuellen Abgründe geführt wird, im Comic-Ton nachgespielt vom Felina-Team: „Du magst unser Haus nicht? Warum eigentlich nicht, Marina?“ – „Aaach…“ – „Was hast Du, fühlst Du Dich nicht wohl?“ – „Entschuldigen Sie, ich gehe Ihnen nur auf die Nerven, nicht wahr?“ – „Deine Haut ist wie Samt, so weich…“ – „Ooooh…“
Theater Felina-Areal in Mannheim  (Foto: SWR, Eberhard Reuß)
Seit zehn Jahren erinnern Sascha Koal (links) und sein Schauspielteam an mehr oder minder prominente Abgänge. Elisabeth Auer (2.v.l): „Wir benutzen nur Originaltexte, Originaldialoge, Texte aus Büchern, die die damals Beteiligten geschrieben haben.“ - Außerdem auf dem Bild: Hedwig Franke und Monika Margret-Steger.
Der verstorbene VW-Chef Ferdinand Piech Ende der 90er Jahre mit einem Porsche (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Holger Hollemann)
Bei besonderen Abgängen gibt es manchmal sogar Requisiten, so Sascha Koal: „Vor kurzem ist ja Ferdinand Piech gestorben. Wir haben hier einen Porsche gehabt - und da habe ich es mir wirklich erlaubt, den an die Wand zu fahren. Das musste mal sein…“
Karel Gott liegt in einer Hängematte neben den überdimensionalen Trickfilmfiguren "Biene Maja" und "Willi" (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Für manche Abgänge bereitet das Schauspielteam auch schon mal Kostüme vor – so wie Hedwig Franke im Fall von Karel Gott: „Er war oft im Krankenhaus, und wir haben ihm die Daumen gedrückt, dass er es doch schafft. Ich bin im Biene-Maja-Kostüm aufgetreten und habe den Biene-Maja-Song gesungen… Wir haben Karel Gott verehrt.“
Der Schauspieler Gerhard Piske (vorne) als Hitler in einer Aufführung von "Mein Kampf" von George Tabori (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Markus Thelen)
Die „Abgänge“ sind stets eine Gratwanderung – aber Autor Sascha Koal gelingt es, auch nach zehn Jahren und 65 Ausgaben der „Abgänge“ immer die Balance zu halten: „Würde ist immer dabei. Das heißt, wir machen uns über die Abgänge, die Prominenten, nicht lustig. Humorvoll geht es zu, aber nicht auf Kosten der Prominenten, die gestorben sind. Wir haben manchmal auch eigene Kollegen verabschiedet, die mitgelesen haben. Gerhard Piske ist da zu nennen, der wirklich in zwei Drittel aller Folgen mitgemacht hat, bis er dann selbst gestorben ist.“ - Auf dem Bild: Gerhard Piske (vorn) als Hitler in einer Aufführung von Taboris „Mein Kampf”, 1988.
Der verstorbene CDU-Politiker Ernst Albrecht 1978 mit Tochter Ursula (links) und seiner Familie (Foto: IMAGO, Star-Media)
Das funktioniert dann auch mal mit Weiterspinnen biografischer Details wie 2014, beim Abgang von Ernst Albrecht, ehedem Ministerpräsident von Niedersachsen, erinnert sich Ursula Auer: „Ernst Albrecht hatte insgesamt sieben Kinder. Eine seiner Töchter ist Ursula von der Leyen (links), die mit ihrem Mann ebenfalls sieben Kinder hat. Nun liegt der Verdacht nah, dass es s ich hier um eine Art Vererbung eines ausgeprägten Kinderwunsches handelt. Nehmen wir an, jedes Kind von Albrecht hat diese Lust auf Nachkommen geerbt und gibt sie auch immer fleißig weiter, dann werden nach weiteren sieben Generationen, also in 245 Jahren, zeitgleich 40 Millionen 353 tausend 607 Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Enkel von Ernst Albrecht existieren. Das bedeutet, nach aller Wahrscheinlichkeit, über 20 Millionen blonde, schnittige, multifunktionale Ursulas.“
DEr Schauspieler Jan Fedder ist tot. (Foto: dpa Bildfunk, Angelika Warmuth)
Tempi Passati. Das Leben, genauer das Ableben, geht weiter voran und sorgt für die gesicherte Zukunft der Abgänge am Mannheimer Theater Felina Areal. Heute Abend verabschiedet das Team von Sascha Koal unter anderem Jan Fedder, Gerd Baltus und Franz Mazura. Mittlerweile habe man etwa 2.000 bis 2.300 Prominente beerdigt, so Sascha Koal, „in absoluter Würde“.
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SWR