Prof. Carsten C. Schermuly

Psychologe verrät: Was macht Macht mit uns?

Stand

Führungskräfte haben Macht und nutzen diese. Die Folgen können gravierend sein. Wie wir besser mit Macht umgehen können, verrät Diplompsychologe Carsten C. Schermuly.

Macht an sich ist erst einmal nichts, was böse oder gut ist! Es kommt immer darauf an, mit welchen Intentionen jemand Macht einsetzt. Und wenn jemand Macht haben möchte: Wir brauchen mehr Menschen, die Verantwortung übernehmen und in Entscheidungs-Positionen kommen wollen. Es kommt dann darauf an: Ist es der oder die Richtige und wie ist das System drum herum aufgebaut?

Politiker, Manager, Chefs: wie ticken die Schaltzentralen der Macht?

An der Spitze eines Unternehmens oder in der Schaltzentrale eines ganzen Staates: Führungskräfte haben Macht. Sie nutzen die Macht aber ganz unterschiedlich, sagt Diplompsychologe Carsten C. Schermuly. Und für die Führungskräfte selbst hat Macht ebenfalls unterschiedliche Folgen. Von Euphorie über die Sucht nach noch mehr Macht bis hin zu Empathieverlust ist alles möglich.

Man kann in Tests nachweisen, dass Empathie bei Reichen und Mächtigen weniger stark ausgeprägt ist.

Empowerment: So können wir Macht positiv einsetzen

Andere wachsen zu lassen – als Fußballtrainer, als Mittelständler, als Handwerker – das kann sich gut anfühlen. Es ist nicht nur so, dass Macht sich gut anfühlt. Es kann sich auch gut anfühlen, andere wachsen zu lassen und Entwicklungen zu sehen.

Carsten C. Schermuly ist überzeugt, dass ein guter Umgang mit Macht wichtig ist. Und: dass dieser gute Umgang auch möglich ist, wenn man versteht, wie Macht psychologisch funktioniert. Er möchte, dass wir sensibler und verantwortungsvoller mit Macht umgehen.

Dann hat das sehr, sehr positive Konsequenzen. Menschen sind arbeits-zufriedener, der Stress geht runter, die Leistungsfähigkeit nimmt zu. Dazu muss ich aber auch Macht weitergeben und andere ermächtigen. Ich muss den Mitarbeiter in meinem Team fördern und wachsen lassen, ihn empowern. Das bedeutet aber auch gegebenenfalls, dass er mächtiger und kompetenter wir, als ich selbst.

R&B Beyoncés Wiedergeburt: Eine Ikone zwischen Empowerment, Aneignung und einer neuen Dance-Ära

Seit Jahren liefert Sängerin Beyoncé ikonische Pop-Momente wie vom Fließband, sie gilt als größte Vorreiterin Schwarzen Empowerments in der Musik. Doch immer wieder steht Beyoncé auch im Fokus der Kritik – am 29.7.22 erscheint nun ihr neues Album „Renaissance“.

Darum ist Fußball-Trainer Jürgen Klopp ein guter Macht-Mensch

Fußballtrainer Jürgen Klopp favorisiert sehr diese Empowerment-orientierte Führung: Das heißt, Menschen auch Sinn zu geben in ihrer Arbeit. Dass er anfängt, Menschen neben sich wachsen zu lassen. Dass er ein großes Trainerteam hat, wo er auch Macht und Verantwortung an andere abgibt und sie nicht konzentriert. Dass er versucht, als Vorbild zu agieren und andere zu empowern. Sie mit Sinn, Selbstbestimmung, Einfluss und Kompetenz auszustatten. Und da können wir in der Forschung nachweisen, dass das langfristig positive Effekte hat.

Wie schützen wir uns vor dem Missbrauch von Macht?

Wie sich eine Gesellschaft vor dem Missbrauch von Macht schützen kann, erklärt Carsten Schermuly an einem Beispiel aus der Tierwelt. Geier-Perlhühner in Afrika sind sehr bunte Tiere und damit eine leicht auszumachende Beute für Leoparden. Ihre einzige Chance, zu überleben ist, immer in einer größeren Gruppe zusammen zu bleiben.

Wenn die ranghöchsten Tiere sich egoistisch verhalten und Futter für sich behalten haben, wenn sie angefangen haben, ihre Macht zu missbrauchen und sie verantwortungslos zu nutzen, dann haben sich die status-niedrigeren Hühner zusammengetan und sich organisiert. Sie sind an die nächste Futterstelle weitergezogen und haben das mächtige Huhn alleine gelassen. Es war schutzlos und auf einmal musste dieses machtlos gewordene Huhn hinterher rennen und versuchen, wieder in die Gruppe zu kommen.

Machtmissbrauch: Wenn Macht umschlägt in autoritäre Dominanz

Hat es die Gesellschaft wirklich immer in der Hand, sich gegen Über-Mächtige zu wehren, die ihre Macht missbrauchen? Warum sehen wir, wie sich weltweit mehr und mehr Gesellschaften autoritären Figuren und Systemen anschließen? Schermuly erklärt das durch ein typisches Verhalten während Krisenzeiten.

Wir wissen, dass zwei Effekte passieren, wenn die Unsicherheit groß ist: Auf der einen Seite wird autoritäre Führung stärker praktiziert, auf der anderen Seite werden autoritäre Führer und Führerinnen eher akzeptiert.

Dabei entstehe aber "ein autoritärer Teufelskreis", so Schermuly. Zum einen würden die Menschen hilfloser. Zum anderen würde wichtiges Wissen von den Führern nicht adäquat verarbeitet, weil es bei ihnen nur gefiltert ankomme. Die Mächtigen kapselten sich ab, ihr direktes Umfeld gebe Informationen nur gefiltert weiter. Das wiederum führe zu schlechteren Entscheidungen und gefährde die Gesellschaft.

Dieses kritische Umfeld zu erhalten, alte Freundschaften zu haben, Menschen, die unabhängig von mir sind und die mir ehrlich die Meinung sagen können, das ist unfassbar wertvoll für mich.

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Raus aus dem Teufelskreis: Wie können wir mit Macht umgehen?

Um besser mit dem Thema "Macht" umgehen zu können, müsse man sie sichtbar machen, fordert Carsten C. Schermuly. Wir würden uns immer noch auf Organigramme verlassen, in denen nur eine Organisationsstruktur abgebildet ist. Aber das entspräche nicht immer den tatsächlichen Machtverhältnissen. 

Beim FC Bayern ist Uli Hoeneß einfaches Aufsichtsratsmitlied und Ehrenpräsident. Mehr hat er im Organigramm nicht stehen. Aber trotzdem ist er immer noch der Mächtigste in gewissen Situationen.

Statt Organigrammen, so Schermuly, sollten wir "Macht-Landkarten" entwickeln: Wo sitzt die Expertise, wo sitzt die Belohnungs-Macht, die Entscheidungs-Macht, die Bestrafungs-Macht? Und dann einen Ist-Soll-Vergleich machen: Ist das die richtige Verteilung von Macht oder was sollte verändert werden, um die gesetzten Ziele besser zu erreichen?

Psychologie: Macht als ständiger Begleiter im Alltag

Carsten C. Schermulys Buch "Die Psychologie der Macht" soll unseren Blick für den besseren Umgang mit dem Thema "Macht" schärfen. Wir sollten uns der Allgegenwärtigkeit von Macht bewusst sein. Nur dann können wir konstruktiv mit ihr umgehen. Schließlich begegnet Macht uns im Alltag doch recht regelmäßig. Bei der nächsten Gehaltsverhandlung genauso wie beim Blick in die Nachrichten, wenn wir von autokratischen Tendenzen bei US-Präsident Donald Trump hören.

Donald Trump arbeitet mit der Belohnungs- und Bestrafungs-Macht, und sehr viel mit der charismatischen Macht. Charismatiker arbeiten sehr viel mit Visionen – die können auch zurück gerichtet sein wie "Make America Great Again". Sie geben sich dann aus als Vertreter eines radikalen Wandels und dass sie alles verändern können. Und dann kommen halt Selbstbewusstsein und rhetorische Kniffe dazu.

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