Eine Frage der Chancengleichheit
Für unser weiteres Leben spielt die Herkunft eine wesentliche Rolle. In welchem Land, in welcher Kultur bin ich geboren? Auf dem Land oder in der Stadt? Wie bin ich aufgewachsen? Konnte ich meinen Beruf frei wählen? Chancengleichheit ist bei uns ein hoher Wert. Alle Menschen sollen unabhängig von ihrer sozialen, familiären oder ethnischen Herkunft die gleichen Chancen haben. Aber Herkunft ist oft immer noch entscheidend für die gesellschaftliche Teilhabe und für den beruflichen Aufstieg.
Licht und Schatten
Die Grenzen, die Menschen bei uns durch ihre Herkunft gesetzt werden, hat auch Natalya Nepomnyashcha erfahren. 1989 ist sie in Kyiv geboren und wuchs in einem sozialen Brennpunkt in Bayern auf. "Ich habe erlebt", sagt Nepomnyashcha im SWR1-Interview, "dass ich keine Gymnasialempfehlung bekommen habe, ohne dass man wirklich meine Fähigkeiten getestet hat. Entsprechend musste ich dann auf die Realschule. Meine Eltern kannten sich damals in Deutschland noch gar nicht aus. Und sprachen noch kein Deutsch, sie lebten von Hartz IV, hatten also keine Möglichkeit, für mich zu kämpfen". Sie verweist auf "Studien, die zeigen, dass bei gleichen geistigen Fähigkeiten Kinder aus nicht-akademischen Familien eine zweieinhalbfach geringere Chance haben auf eine Gymnasialempfehlung".
Unterstützung für andere
Ohne Abitur machte sie in Großbritannien ihren Master und nach dem Studium der Internationalen Beziehungen war Nepomnyashcha u.a. für eine der weltweit größten Unternehmensberatungen tätig. 2016 gründete sie nebenberuflich das "Netzwerk Chancen". Das Sozialunternehmen begleitet talentierte Menschen, die zum Beispiel aus finanzschwachen Verhältnissen kommen, auf ihrem beruflichen Weg.
Wie eine gläserne Decke
Leider ist es noch oft so, dass auch unsere soziale Herkunft entscheidet, was wir im Leben erreichen können und was nicht. Bildungschancen sind ungleich verteilt – zwischen Stadt und Land, aber auch abhängig von der Bildungsnähe oder -ferne des Elternhauses. Die Herkunft ist immer noch oft wie eine gläserne Decke, die die Grenze dessen beschreibt, was ich in meinem Leben schaffen kann. So beschreibt es Natalya Nepomnyashcha in ihrem Buch "Wir von unten: Wie soziale Herkunft über Karrierechancen entscheidet". Gerade beim Berufseinstieg, sagt sie im SWR1-Gespräch, spielten Sachen wie Praktika oder auch ein Netzwerk eine große Rolle. Und Menschen, die aus unteren sozialen Schichten oder aus nicht-akademischen Familien kommen, hätten vielleicht gar nicht studiert oder sie hätten sehr lange für das Studium gebraucht, weil sie nebenbei arbeiten mussten, weil sie vielleicht schon Kinder hatten, wenn sie zu spät angefangen haben. Das alles führt dazu, "dass sie schon beim Berufseinstieg viel schlechtere Chancen haben auf einen Job oder auch einen guten Job".

Vielfältiges Programm
In vielen Beiträgen, Gesprächen und Diskussionen wollen wir zum Diversity-Tag auf individuelle Erfolgsgeschichten hinweisen, aber auch auf die Grenzen, die Menschen immer noch gesetzt werden. Welche Lösungsmöglichkeiten gibt es? Ist wirkliche Chancengleichheit tatsächlich möglich?