Ein 24-jähriger Flüchtling fuhr mit einem Auto in München gezielt in eine Demonstration von Gewerkschaftlern und tötete eine Mutter und ihr zweijähriges Kind. Diese und andere Anschläge in Mannheim, Solingen und Villach sollen, islamistisch motiviert sein und stehen somit in einem größeren Zusammenhang, wie die Sicherheitsbehörden sagen. Was aber liegt diesen Gewalttaten zu Grunde?

Was bedeutet genau "islamistisch?"
"Es handelt sich dabei um Gewalt, die religiös gerechtfertigt wird - wenn Attentäter der Meinung sind, dass ihr gewalttätiges Tun legitim ist und im Namen Gottes gerechtfertigt werden kann", sagt Prof. Dr. Susanne Schröter im Interview mit SWR1. Sie leitet des Forschungszentrum Globaler Islam an der Universität Frankfurt.
"Koran wichtiger als Grundgesetz"
Statt des Begriffs "islamistisch" benutzt Schröter in diesem Zusammenhang aber lieber die Formulierung "politischer Islam", weil dadurch deutlich werde: "Es geht eben nicht um eine Trennung von Religion und Politik, sondern letztendlich ist die gesamte normative Ordnung an der Religion orientiert. Also man könnte das jetzt mal flapsig so benennen, dass der Koran wichtiger ist als das Grundgesetz." Gleichzeitig – so Schröter - bedeute dies jedoch nicht, dass Menschen, die diese Meinung teilten, auch zwangsläufig Gewalt anwendeten. Was aber sicher gelte, sei die Umkehrung dieses Gedankens: "Jemand, der im Namen seiner Religion, also des Islam, Anschläge begeht, Menschen ermordet, ist mit Sicherheit auch islamistisch. Sonst macht die Sache keinen Sinn."
Die Religion Islam von Islamismus unterscheiden
Die Wissenschaftlerin warnt davor, den ganzen Islam in Mithaftung zu nehmen. "Der Islam ist eine Weltreligion mit sehr, sehr unterschiedlichen Spielarten, gerade in der Pragmatik." Die meisten muslimischen Länder hätten völlig säkulare Verfassungen, abgesehen vom Familienrecht, wo man in der Regel islamischen Quellen folge. "Deshalb macht es Sinn zu trennen zwischen Islamismus und Islam. Ganz sicher."

Was bedeutet religiös motiviert?
Die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam weist zudem daraufhin, dass es für unsere Gesellschaft sehr schwierig ist, die gewalttätigen Handlungen islamistischer Täter und ihre Motivation wirklich zu begreifen. "Wir verstehen nicht genau, was das ist. Wir versuchen immer etwas anderes da hineinzuinterpretieren, also beispielsweise sagen, da war jemand traumatisiert, da hat jemand Diskriminierungserfahrungen oder ähnliches." Das könne zwar alles auch eine Rolle spielen, betont sie, aber wir seien kaum in der Lage zu verstehen, dass jemand aus einem religiösen Impuls heraus handelt: "Weil es bei uns nicht mehr der Fall ist."

Internetüberwachung ausbauen
Auf die Frage, wie man sich vor islamistischer Gewalt schützen kann, zögert die Wissenschaftlerin: "Das ist natürlich schwierig," sagt sie und verweist darauf, dass Deutschland die meisten Hinweise auf Attentate durch ausländische Sicherheitsdienste bekommt. Dies sei zwar gut und wichtig, müsse aber durch eine stärkere und konsequentere Internetüberwachung in der Bundesrepublik ergänzt werden. Denn die neue Generation islamistischer Gewalttäter sei stark internetgestützt, so Schröter.