SWR1 Sonntagmorgen

Islamismus – Hintergründe, Verbindungen, Gefahren

Stand
Autor/in
Cüneyt Özadali

Die Anschläge von Mannheim, Solingen, München und Villach in Österreich werden von Sicherheitsexperten als islamistisch eingestuft. Doch was bedeutet "islamistisch?"

Ein 24-jähriger Flüchtling fuhr mit einem Auto in München gezielt in eine Demonstration von Gewerkschaftlern und tötete eine Mutter und ihr zweijähriges Kind. Diese und andere Anschläge in Mannheim, Solingen und Villach sollen, islamistisch motiviert sein und stehen somit in einem größeren Zusammenhang, wie die Sicherheitsbehörden sagen. Was aber liegt diesen Gewalttaten zu Grunde?

Auto in München in Menschengruppe gefahren
Am 13.02.2025 fuhr in der Münchner Innenstadt ein Fahrzeug in eine Menschengruppe. Viele Personen wurden dabei verletzt, zwei Personen starben wenig später im Krankenhaus.

Was bedeutet genau "islamistisch?"

"Es handelt sich dabei um Gewalt, die religiös gerechtfertigt wird - wenn Attentäter der Meinung sind, dass ihr gewalttätiges Tun legitim ist und im Namen Gottes gerechtfertigt werden kann", sagt Prof. Dr. Susanne Schröter im Interview mit SWR1. Sie leitet des Forschungszentrum Globaler Islam an der Universität Frankfurt.

"Koran wichtiger als Grundgesetz"

Statt des Begriffs "islamistisch" benutzt Schröter in diesem Zusammenhang aber lieber die Formulierung "politischer Islam", weil dadurch deutlich werde: "Es geht eben nicht um eine Trennung von Religion und Politik, sondern letztendlich ist die gesamte normative Ordnung an der Religion orientiert. Also man könnte das jetzt mal flapsig so benennen, dass der Koran wichtiger ist als das Grundgesetz." Gleichzeitig – so Schröter - bedeute dies jedoch nicht, dass Menschen, die diese Meinung teilten, auch zwangsläufig Gewalt anwendeten. Was aber sicher gelte, sei die Umkehrung dieses Gedankens: "Jemand, der im Namen seiner Religion, also des Islam, Anschläge begeht, Menschen ermordet, ist mit Sicherheit auch islamistisch. Sonst macht die Sache keinen Sinn."

Die Religion Islam von Islamismus unterscheiden

Die Wissenschaftlerin warnt davor, den ganzen Islam in Mithaftung zu nehmen. "Der Islam ist eine Weltreligion mit sehr, sehr unterschiedlichen Spielarten, gerade in der Pragmatik." Die meisten muslimischen Länder hätten völlig säkulare Verfassungen, abgesehen vom Familienrecht, wo man in der Regel islamischen Quellen folge. "Deshalb macht es Sinn zu trennen zwischen Islamismus und Islam. Ganz sicher."

Iman Benjamin Idriz beim Gedenkgottesdienst in München
Imam Benjamin Idriz, nimmt im Liebfrauendom an einem ökumenischen Gottesdienst mit interreligiöser Beteiligung für Betroffene, Angehörige und Einsatzkräfte des Anschlags in München teil.

Was bedeutet religiös motiviert?

Die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam weist zudem daraufhin, dass es für unsere Gesellschaft sehr schwierig ist, die gewalttätigen Handlungen islamistischer Täter und ihre Motivation wirklich zu begreifen. "Wir verstehen nicht genau, was das ist. Wir versuchen immer etwas anderes da hineinzuinterpretieren, also beispielsweise sagen, da war jemand traumatisiert, da hat jemand Diskriminierungserfahrungen oder ähnliches." Das könne zwar alles auch eine Rolle spielen, betont sie, aber wir seien kaum in der Lage zu verstehen, dass jemand aus einem religiösen Impuls heraus handelt: "Weil es bei uns nicht mehr der Fall ist."

Islamismus  im Web - Propaganda des radikalen IS
Islamismus im Web - Propaganda des radikalen IS

Internetüberwachung ausbauen

Auf die Frage, wie man sich vor islamistischer Gewalt schützen kann, zögert die Wissenschaftlerin: "Das ist natürlich schwierig," sagt sie und verweist darauf, dass Deutschland die meisten Hinweise auf Attentate durch ausländische Sicherheitsdienste bekommt. Dies sei zwar gut und wichtig, müsse aber durch eine stärkere und konsequentere Internetüberwachung in der Bundesrepublik ergänzt werden. Denn die neue Generation islamistischer Gewalttäter sei stark internetgestützt, so Schröter.

Der Standpunkt in unserer Sendung Trump und die Unberechenbarkeit. Von Mark Kleber

In knapp neun Stunden ist es so weit: Dann haben wir die ersten Zahlen, wie die heutige Bundestagswahl ausgegangen ist, und ein paar Stunden später dann amtliche Gewissheit. Darauf können wir uns verlassen, aber vieles andere wird zunehmend unberechenbar. Selbst wenn man mit Politik nicht so viel am Hut hat, kann man das in den letzten Tagen daran ablesen, wie sich viele die Augen reiben angesichts der Äußerungen von US-Präsident Trump, wenn es um die Sicherheit Europas geht. Viele Menschen belastet das. Wie gehen wir damit um? Die Frage beschäftigt auch meinen Kollegen Mark Kleber in seinem Standpunkt.
Wir haben eine Kaffeemaschine. Die hat mit der Weltpolitik gar nichts zu tun, und das ist gut so. Wenn ich auf den Knopf drücke, weiß ich, ich kriege Kaffee. 100 % verlässlich. Politik ist keine Kaffeemaschine, klar. War sie noch nie. Aber das, was wir gerade an Unberechenbarkeit erleben... Mann o Mann. Trump und Europa. Puh… Diese Unberechenbarkeit übersteigt viele Befürchtungen. Denn im neuen Sound der US-Regierung klingt eine Frage an, die uns alle betrifft: Können wir uns noch darauf verlassen, dass wir hier weiter in Frieden leben? Ich weiß, beim Kaffee am Sonntagmorgen ist das kein schönes Thema, aber die Frage nach unserer Sicherheit stellt sich jetzt ganz konkret. Als hätten wir nicht schon genug Krisen! Dieses Gefühl der Unsicherheit hatte ich, als ich jung war, in den Achtziger Jahren. Das war die Zeit des Kalten Krieges. Damals bauten manche in ihren Gärten Atombunker. Und jetzt? Jetzt verändert sich die Welt noch rasanter, als viele das für Trumps Regierungszeit vorausgesagt hatten. Worauf können wir uns überhaupt noch verlassen, wenn das einzig Erwartbare die Unberechenbarkeit ist? Wenn ich mit Leuten ins Gespräch komme, habe ich den Eindruck, vielen setzt das ähnlich zu wie mir. Also was tun? Militärisch aufrüsten? Europäisch geschlossen auftreten? Selbst anfangen, wie Trump zu denken? Ich kann nur für mich sprechen. Mir ist wichtig, erstens, den Kopf nicht in den Sand zu stecken, sondern hinzuschauen - die Zeitenwende, über die wir seit Jahren sprechen, beginnt jetzt erst richtig. Zweitens: Überlegen, was kann ich aktiv tun? Zum Beispiel mich informieren, engagieren, und, tja, natürlich, wählen gehen. Und drittens: Gerade in dieser Zeit mich nicht unterkriegen lassen von den Sorgen, sondern die Hoffnung behalten und Kraft tanken. Lachen mit Familie und Freunden oder auch einfach nur die kleinen Glücksmomente im Alltag genießen – wie den dampfend heißen Kaffee aus unserer Maschine. Verlässlich auf Knopfdruck. Auch mal als kurze Pause von der Weltpolitik.

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Autor/in
Cüneyt Özadali