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SWR1 Sonntagmorgen

100 Jahre Muttertag – ist dieser Feiertag noch zeitgemäß?

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Sophie Rebmann

Kuchen, Karten und Blumen als Dankeschön an Mama. Aber passen Muttertag und Gleichberechtigung der Frau zusammen? Eine Forscherin verweist auf Alternativen.

Am zweiten Sonntag im Mai feiern kleine und große Kinder in über 40 Ländern der Welt ihre Mütter. In Deutschland wird in Kindergärten und Kitas gebastelt und gemalt, damit die Kinder ihre Mütter am Muttertag mit kleinen Geschenken wecken können.

Obwohl der Tag die Sorge-Arbeit der Mütter anerkennen soll, sind die Meinungen zum Muttertag gespalten. Etliche Menschen empfinden ihn als altmodisch, kitschig und überholt. Und was ist mit Frauen, die gerne Mütter wären, aber nicht Mutter werden können? Wie geht es Müttern, deren Kinder keinen Kontakt mehr halten - oder die sogar verstorben sind? Was ist mit guten Stiefmüttern und lieben Nachbarinnen, die ebenfalls unterstützen? Und was mit Müttern, die keine Liebe für ihr Kind spüren?

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Die Frau als sorgende Mutter?

Elternschaftsforscherin Désirée Waterstradt von der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe kritisiert die Rollenbilder, die mit dem Muttertag zementiert würden: "Der Muttertag ‚feiert‘ die stumme, leidensbereite Aufopferung der einzelnen Mutter, der Vatertag dagegen die gemeinsame pubertätsartig-alkoholisierte Flucht vor der Familie."

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Sie plädiert für einen Elterntag, der die Rolle der gemeinsamen Erziehung in den Vordergrund stellt. Damit würde der Tag auch der Grundidee für dieses Fest wieder näher kommen. Schließlich sei Erziehung ursprünglich auf mehrere Schultern verteilt gewesen. Heute werde diese Art der Erziehung hingegen "mit einer so selbstverständlichen wie radikalen Mütterfeindlichkeit" diffamiert, so die Wissenschaftlerin. Zum Beispiel durch die Begriffe "weggeben", "Fremdbetreuung" oder "Rabenmutter".

Begründerin des Muttertags: Ann Jarvis

Anna Jarvis hatte die Idee einer besonderen Ehre an Mütter und deren Kult (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)
Anna Jarvis hatte die Idee einer besonderen Hommage an Mütter

Der Muttertag in seiner heutigen Form geht auf die amerikanische Methodistin Ann Jarvis zurück, die 1908 mit einem Gottesdienst an ihre verstorbene Mutter erinnerte. Diese hatte sich Zeit ihres Lebens für Mütter eingesetzt und dafür auch einen "Mütterfreundschaftstag" ins Leben gerufen. Der Tag sollte der Vernetzung, des Austauschs und der Bewusstseinsbildung von Müttern dienen.

Ann Jarvis war mit ihrer Idee erfolgreich: 1914 erklärte der US-Präsident Woodrow Wilson den Muttertag per Gesetz zum offiziellen Staatsfeiertag.

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Blumen, Karten und Kommerz

Zur Bekanntheit trugen vor allem die Werbekampagnen von Blumenhändlern bei. Auch Schokoladenverkäufer und Schreibwarenläden profitierten. Eine Kommerzialisierung, gegen die sich Anna Jarvis zu wehren versuchte. Sie wollte, dass die Kinder ihren Müttern an diesem Tag einen handgeschriebenen Brief und eine weiße Nelke überreichen und gemeinsam in den Gottesdienst gehen. Jarvis forderte sogar sie die Abschaffung des Ehrentages. Aber der Boom war nicht mehr aufzuhalten.

Inzwischen profitiert vor allem die Blumenindustrie von diesem Tag. Schätzungen des Fachverbands Deutscher Floristen zufolge beträgt der Umsatz an diesem Termin ein Drittel mehr als an den anderen Tagen. So gaben die Deutschen 2022 an diesem Tag rund 100 Millionen Euro für Schnittblumen und weitere 50 Millionen Euro für Topfpflanzen aus, das geht aus Zahlen der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) hervor.

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Der Mutter-Kult der Nationalsozialisten

In Deutschland führten die Nationalsozialisten den Muttertag 1934 als offiziellen Staatsfeiertag ein. Sie nannten ihn den "Tag der deutschen Mutter" und vereinnahmten ihn für ihren Mutter-Kult. Kinderreiche Frauen zeichneten sie mit dem Mutterkreuz aus. Diese Mütter-Ideologie aus der NS-Zeit haftete dem Tag auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch an. Seit 1950 wirbt das Müttergenesungswerk an diesem Tag um seine Anliegen und Spenden. Die DDR-Führung hingegen verlegte den Feiertag auf den 8. März, den Frauentag.

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Sophie Rebmann