Hans Weinreuter, Energieexperte bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, hat Ihre und unsere Fragen zu den gestiegenen Strompreisen beantwortet.
SWR1: Sind hundert Prozent Erhöhung eher die Ausnahme oder die Regel?
Hans Weinreuter: Wir bewegen uns im Moment noch ein bisschen darunter. Ich habe gestern eine Stichprobe in 14 Orten in Rheinland-Pfalz gemacht, wohin sich die Grundversorgungspreise entwickeln, und habe das verglichen mit dem Preisstand Anfang dieses Jahres. Zu Beginn des Jahres waren wir bei 30 Cent pro Kilowattstunde - jetzt kommen wir an die 50 Cent heran. Es ist keine hundertprozentige Steigerung, aber es ist ordentlich.
Hörerfrage: Darf mir mein Stromversorger ohne Angabe von Gründen meinen Vertrag kündigen?
Weinreuter: Nein, darf er grundsätzlich nicht. Es gibt eine vertragliche Vereinbarung. Und solange keinerlei Vertragsverstöße vorliegen, darf der Versorger den Kunden nicht einfach rauswerfen. Das hatten wir schon mal zu Beginn des Jahres bei einzelnen Discountern, die bundesweit so agiert haben. Denen ist ihr Geschäftsmodell auf die Füße gefallen, seitdem die Preise so angestiegen sind. Da gab es auch Verfahren, und die Kollegen aus NRW haben auch ein Gerichtsverfahren durchgesetzt.
SWR1: Hörer Günter Lang schreibt uns, dass er per Photovoltaikanlage an die Pfalzwerke Strom liefert. 12,3 Cent pro Kilowattstunde bekommt er dafür. Gleichzeitig muss er über 68 Prozent mehr zahlen für den Strom, den er einkauft. Wäre es nicht fair, dass auch der private Stromverkauf von dieser großen Preissteigerung profitiert?
Weinreuter: Spannende Frage. Wenn er seinen Strom nicht direkt an die Pfalzwerke liefertn, sondern über die Börse verkaufen würde, dann würde er ganz stark davon profitieren. Aber das ist in seinem Fall so nicht. Privathaushalte sind geregelt über das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG). Und da ist gesetzlich festgelegt, dass er nach Beginn der Laufzeit seiner Photovoltaik-Anlage 20 Jahre lang 12,7 Cent bekommt. Also leider nicht - schön wär's.
SWR1: Hörer Jean Kinder schreibt, dass nicht nur der Arbeitspreis, sondern auch die Grundgebühr drastisch steigt. Ist es da besser, in die Grundversorgung zu gehen?
Weinreuter: Das kann man so pauschal nicht beantworten, sondern das fordert einen individuellen Vergleich. Da helfen im Prinzip die Tarif-Plattformen oder der Blick auf die Preistabellen des örtlichen Versorgers. Der hat nicht nur die Grundversorgung, sondern auch Sonderpreis-Modelle. Und dann ist es am besten, man nimmt seinen letzten Jahresstromverbrauch und macht die Vergleichsrechnung. Dann sieht man das. Bisher war es so, dass die Grundversorgung in diesem Jahr eher das günstigste Modell war. Das kann oder wird sich jetzt im Einzelfall zum Jahreswechsel wieder ändern, weil jetzt die Grundversorgung deutlich teurer wird, während die vielen überregionalen Versorger ab dem 1. Januar zumindest erstmal leicht wieder darunter liegen. Im Moment herrscht nach wie vor die große Unübersichtlichkeit und man muss genau hinschauen.
SWR1: Ein Hörer macht sich Sorgen, dass er in der Grundversorgung dann gefangen wäre und das nehmen muss, was am Markt angeboten wird. Stimmt das so? Ich hätte es eher das Gegenteil gedacht. Er kann aus der Grundversorgung sofort wieder raus, wenn er etwas Besseres findet, oder?
Weinreuter: So ist es. Der Vorteil der Grundversorgung besteht darin, dass ich mit einer Frist von 14 Tagen jederzeit rauskomme.
SWR1: Hörer Markus Laux fragt, wie man überhaupt in die Grundversorgung hineinkommt?
Weinreuter: Indem man sich bei dem örtlichen Grundversorger meldet und sagt, ich möchte gerne bei Ihnen in die Grundversorgung.
SWR1: Muss ich dann den alten Vertrag einfach kündigen und keinen neuen abschließen? Führt das auch direkt in die Grundversorgung?
Weinreuter: Im Prinzip ja. Aber den alten Vertrag einfach kündigen geht nur dann, wenn es zu einer Preiserhöhung kommt. Dann habe ich ein Sonderkündigungsrecht. Ansonsten bin ich an die Vertragslaufzeit gebunden.
SWR1: ...was aber fast jeder hat zum neuen Jahr...
Weinreuter: Genau. Zum neuen Jahr passiert sehr viel. Und wenn es zu einer Preiserhöhung kommt, habe ich das Sonderkündigungsrecht. Dann sollte man sich parallel dazu beim Grundversorger schon mal melden, dass man in die Grundversorgung möchte.
SWR1: Hörer Ulrich Suchus hat ein Angebot seines Anbieters für zwei Jahre zum Festpreis von 51 Cent pro Kilowattstunde Strom bekommen. Soll er abschließen?
Weinreuter: Da kann man keine eindeutige Empfehlung geben, weil niemand weiß, wie sich die Strompreise genau in den nächsten zwei Jahren entwickeln werden. Wer auf der sicheren Seite sein will, der kann das tun. Er wird sich aber im Zweifel ärgern, wenn der Strompreis wieder ein bisschen hinuntergehen würde. Im Moment sehe ich auf den Preisportalen ein bundesweites Preisniveau bei 45-46 Cent. Daran sieht man: es ist im Moment Spielraum da. Das ist dann mehr eine Frage der Psychologie. Will ich mich damit auseinandersetzen und regelmäßig nachschauen - oder wirklich die nächsten zwei Jahre Ruhe haben?
Steigende Energiekosten So sparen Sie einfach Strom
Die Energiepreise gehen gerade durch die Decke. Wer jetzt schon einer hohen Nachzahlung bei der Stromrechnung vorbeugen möchte, der kann mit ein paar einfachen Kniffen den Stromverbrauch im Haushalt deutlich senken.
Hörerfrage: Mein Stromversorger hat zum 1. Januar von 20 Cent auf 48 Cent pro Kilowattstunde brutto erhöht. Ist die Strompreisbremse von 40 Cent brutto oder netto?
Weinreuter: Die ist brutto, ganz eindeutige Aussage.
Hörerfrage: Ich habe eine Balkonkraftanlage mit der ich Strom ins Netz einspeise. Warum ist es in Deutschland nicht möglich, dass der Stromzähler rückwärts läuft und ich dadurch Strom spare?
Weinreuter: Normalerweise schaffen diese Fotovoltaikanlagen auf dem Balkon zwischen zehn und 15 Prozent an Einsparungen. In Deutschland ist es gesetzlich verboten, einen rücklaufenden Zähler so zu betreiben, indem man Strom einspeist und damit den Bezugspreis einspart. Das hat steuerrechtliche Gründe. Das andere Problem ist, dass wir eine Ungleichbehandlung hätten, da es Zähler gibt, die eine Rücklaufsperre haben. Es gibt aber Länder, in denen das zulässig ist.
Trotzdem sind diese Balkonkraftwerke auf jeden Fall sinnvoll, gerade für Mieterhaushalte. Sie können damit ein bisschen Strom einsparen und die geringen Investitionskosten, amortisieren sich auch nach einiger Zeit.