Sonja Haug ist zweite Vorsitzende des Alpenvereins, Sektion Mainz, gibt Kletterkurse und ist außerdem Trainerin für Bergsteigen.
SWR1: Was ist der Unterschied zwischen einem gemütlichen Wanderweg und Klettersteigen?
Sonja Haug: Ein Wanderweg ist eben, das geht geradeaus. Ein Klettersteig ist immer etwas, das mit Klettern zu tun hat. Das heißt, da gehe ich nicht geradeaus, da gehe ich in der Regel senkrecht hoch. Und beim Klettersteig, wie das Wort sagt, da klettere und steige ich also wirklich am Seil hoch. Im Gelände, in dem wir uns im Klettersteig bewegen, gibt es sogenannte "Versicherungen". Das sind eingebohrte Anker und da ist ein Seil gespannt. Das ist schon einmal der optische Unterschied.
Ausrüstung ist essenziell
SWR1: Das ist wahrscheinlich nicht etwas für jeden. Für wen ist der Klettersteig geeignet und für wen nicht?
Sonja Haug: Klettersteige sind für diejenigen geeignet, die wissen, wie das geht. Man muss wissen: Wandern kann jeder, da kann ich einfach losgehen. Für den Klettersteig brauche ich vor allem eines: Ausrüstung. Einen Klettersteig kann ich nicht einfach so gehen wie ein Wanderweg, sondern ich brauche Ausrüstung. Ich brauche einen "Klettersteigset", einen Helm und ich muss wissen, was ich tue.
Ich brauche Ausrüstung und ich muss wissen, was ich da tue.
SWR1: Klettersteigset – das heißt, das ist unter anderem ein Sicherungsseil, mit dem man sich sichern kann?
Sonja Haug: Das ist mehr als das. Der Klettersteig selbst ist mit einem Stahlseil "versichert", sagen wir vom Bergsteigen. Und das Klettersteigset, besteht aus
- einem Klettergurt, einem sogenannten Hüftgurt, den auch die Kletterer verwenden und
- einem zusätzlichen Set, das in diesem Gurt eingebunden wird und was zwei Haken hat. Das kennt man vom Hochseilgarten oder von Fun-Kletterhallen.
Damit hängen wir uns in das Seil am Klettersteig ein und sind so quasi gesichert. Wenn ich abrutsche, falle ich nicht runter, sondern hänge in diesem Seil.

SWR1: Ist es eine gute Idee, sich so ein Set zu kaufen und dann einfach loszulegen?
Sonja Haug: Wenn ich weiß, wie das geht und wenn ich das schon mal gemacht habe, dann kann ich mir so ein Set kaufen. Aber normalerweise sollte ich mich im Fachhandel beraten lassen.
Klettersteige: Verschiedene Schwierigkeitsstufen
SWR1: Es gibt unterschiedliche Kategorien bei Klettersteigen. Welche sind das?
Sonja Haug: Klettersteige haben verschiedene Schwierigkeiten. Es gibt die Kategorie A und B. Das ist das, was wir aus Boppard oder auch vom Calmont-Klettersteig an der Mosel kennen. Jetzt gibt es seit einiger Zeit diesen Klettersteig in Manderscheid. Der hat nicht nur Kategorie A und B, sondern hat die Kategorie C und D. Und die gelten als äußerst schwierig. Hier sollte ich niemals ohne Vorkenntnisse und Ausrüstung losgehen.
Wieder ein Unfall am Klettersteig Wanderer stürzt bei Manderscheid ab
Wieder ein Unfall am Klettersteig bei Manderscheid in der Eifel: Ein Wanderer ist am Wochenende abgestürzt. Es war der zweite Unfall innerhalb weniger Tage.
SWR1: Vorkenntnisse heißt vorher eine Ausbildung machen oder sich anleiten lassen?
Sonja Haug: In jedem Fall sich kundig machen. Die alpinen Vereine bieten Ausbildungen an. Es gibt auch Bergschulen, die Ausbildungen anbieten. Wenn man sowas zum ersten Mal macht, sollte man keinesfalls an diesem Klettersteig in Manderscheid in die D-Stelle einsteigen, weil man dazu gar nicht in der Lage ist.
SWR1: Was heißt "D-Stelle"? Ist das dann besonders schwierig?
Sonja Haug: Es gibt die Kategorien A-D. Bei Kategorie C und D ist es im Grunde so, dass sich selbst die Bergführer-Profis sichern. Diese Stellen sind teilweise sehr senkrecht. Das heißt, ich muss mich mit Armkraft hochziehen.
Bei leichten Klettersteig-Stellen habe ich Tritte, da kann ich meine Füße hinsetzen. Je schwerer diese Klettersteige werden, umso weniger habe ich Tritt-Möglichkeiten für meine Füße. Das heißt, ich hänge an meinen Armen und wenn die Armkraft nachlässt, falle ich runter.
Alpenverein bieten Informationen und Tutorials
SWR1: Und das ist dann ganz schön heftig. Man darf sich da auf keinen Fall überschätzen, oder?
Sonja Haug: Das ist ganz wichtig. Diese Selbstüberschätzung – nach dem Motto "Ich mach das mal. Andere haben gesagt, das ist einfach" – ist auch ein Stück weit Teil des Problems.
Selbstüberschätzung ist Teil des Problems.
Wir haben diese Unfälle, da sich die Leute nicht gut informieren. Da postet jemand auf Instagram: Ich war am Klettersteig – ist cool. Der nächste denkt sich: Super, mach ich auch! Beim vorab informieren, kommen wir als Alpenverein ins Spiel. Wir bieten genau das an. Wir bieten Informationen auf unserer Webseite, es gibt Tutorials wie ich einen Klettersteig gehe. Da gibt es Anleitungen und Videos.
Das Interview führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.
Weitere Informationen finden Sie unter: dav-mainz.de
Hier gibt es auch Kursangebote für Klettersteig Einsteiger unter dav-mainz.de/kursetouren.
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