Ulrich Wickert wird 80

Vom "Schlappen-Schammes" zum "Mister Tagesthemen" und Krimi-Autor

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Ex-Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert feiert seinen 80. Geburtstag. Mit Birgit Steinbusch hat er über seine Zeit als französisch-sprechender "Schlappen-Schammes" beim WDR, den 11. September 2001 und seine Leidenschaft für das Krimischreiben gesprochen.

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SWR1: 80 scheint ein gutes Alter zu sein!

Ulrich Wickert: Damit regieren andere noch im Weißen Haus. Könnte ich ja eigentlich auch machen, oder?

SWR1: Die Acht vorne - ist das ein Thema?

Wickert: Nein, man kann nichts dafür. Das kommt und geht.

SWR1: Sie haben fließend Französisch gesprochen, als sie beim WDR angefangen haben. War das damals so: "Der Jung‘ kann Französisch, den kannst‘e schicken?"

Wickert: In der zweiten Woche, in der ich dort als Schlappen-Schammes - wie man im Rheinischen sagt, also als Hilfs-Assistent angefangen habe - hieß es: "Der kann Französisch, der kann nächste Woche mit dem Team nach Belgien." Das Gleiche gilt übrigens auch für Englisch, denn ich habe ja in Amerika studiert. Dann hieß es: "Der war ja in Amerika, da kann der ja hinfahren." Und so kam es immer wieder. Das hat mir eigentlich mein ganzes Leben geholfen.

SWR1: Der 11., September 2001 - Sie hatten Dienst und haben stundenlang live berichtet. War das einer der schlimmsten Tage für Sie?

Wickert: Ich glaube, das war der schlimmste Tag überhaupt! Das Problem war, dass wir im Augenblick gar nicht wussten, was da überhaupt passiert. Die ARD hat ja auch lange gezögert, überhaupt live auf Sendung zu gehen. Ich fing also an zu moderieren und sah die Bilder im gleichen Moment wie der Zuschauer, das war das Problem. Ich bin grundsätzlich dagegen, dass man Katastrophen und Geiselnahmen live sendet. Ich bin der Meinung, dazwischen gehört immer eine ordnende Instanz. Aber in diesem Moment ging das gar nicht. Abgesehen von den Ereignissen dort, war das für mich das Belastendste. Das waren Bilder, in denen Menschen aus dem World-Trade-Center gesprungen sind und ich habe mir schon überlegt, ob ich das überhaupt ansprechen soll. Natürlich habe ich es dann angesprochen und ich hatte immer die Angst, dass irgendwann mal ein Bild kommt von den Leuten, die da unten angekommen sind.

SWR1: Jetzt haben wir gerade Krieg, Krise, Corona - leben wir in schweren Zeiten?

Wickert: Sie sind schwerer als vor ein paar Jahren, aber wir haben auch andere schwere Zeiten durchgemacht. Das vergessen wir manchmal ganz gerne. Als ich bei den Tagesthemen anfing, musste ich ein paar Tage vorher anfangen, weil der Bürgerkrieg in Jugoslawien ausgebrochen war. Wir haben den Irak-Krieg erlebt und den Putsch gegen Michail Gorbatschow. Wir haben unglaublich viele schreckliche Dinge erlebt, die wir dann immer schnell wieder vergessen haben, wenn es uns wieder gut geht.

SWR1: Würden Sie uns jetzt auch wieder wie immer "eine geruhsame Nacht" wünschen, nach solchen Tagesthemen?

Wickert: Ja, natürlich! Man soll nicht verzweifeln. Man soll doch irgendwann mal Ruhe finden.

SWR1: Heute schreiben Sie Krimis. Die Liebe dazu haben sie in den USA entdeckt. Was braucht denn ein guter Krimi - viel Blut oder viel Raffinesse?

Wickert: Na ja, man braucht nicht viel Blut. Man muss Spannung haben. Das hängt nicht von Blut ab und man muss unterhalten werden. Das ist für mich ganz wichtig beim Krimi. In meinem siebten Krimi "Die Schatten von Paris", der eben rausgekommen ist, gibt es auf den ersten 15 Zeilen schon den ersten Mord. Aber das muss sein, weil dann die Spannung erstmal aufgebaut wird.

SWR1: Ihre Hauptfigur, der Untersuchungsrichter Jaques Ricou, fängt seinen Tag gerne mal entspannt in einem Café an. Was war Ihnen bei der Entwicklung dieser Figur wichtig?

Wickert: Mir war es wichtig, dass ich da eine entspannte Figur habe. Aber eine Figur von der klar ist: Der ist ein unbestechlicher Untersuchungsrichter und er hat Macht. Französische Untersuchungsrichter haben viel mehr Macht als in Deutschland der Staatsanwalt und der der Untersuchungsrichter. Und weil Jaques Ricou Macht hat, ist er den Mächtigen lästig. Diesen Widerspruch, den arbeite ich gern aus.

SWR1: Fangen Sie den Tag auch gerne mit der Zeitung in einem Café in Paris an?

Wickert: Wenn ich in Paris bin, dann fange ich genauso den Tag an: Ich gehe immer zum selben Kiosk eine Zeitung kaufen. Ich gehe immer in dasselbe Café, setze mich in dieselbe Ecke und lese meine Zeitung. Wissen Sie, wenn man so lange im Nachrichtengeschäft war, dann will man wissen was los ist.

SWR1: Wie werden Sie denn Ihren Achtzigsten feiern – mit einem Glas Rotwein?

Wickert: Das natürlich. Aber sonst nur mit der Familie - also keine große Feier.

Das Gespräch führte Birgit Steinbusch.

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