Immer häufiger kommt es zu sogenannten Extremwetterereignissen, die eigentlich eine Seltenheit sein sollten. Doch durch den Klimawandel ändert sich die Wetterlage. Welche Folgen es für uns hat, wenn in der Arktis die Eiskappen schmelzen, erklärt Sven Plöger im Interview.
Die Arktis schmilzt
SWR1: Wir hören, dass die Gletscher in Grönland schmelzen und sehen die Bilder davon. Wie viel stärker ist der Eindruck, wenn man selbst dort ist?
Sven Plöger: Der ist wahnsinnig stark, der ist unglaublich emotional. Ich habe auf dem grönländischen Eisschild gestanden, hunderte von Kilometern Eis hinter mir, vor mir, rechts und links. Natürlich auch vor den Gletschern, zum Beispiel vor dem, wo Alfred Wegener 1930 zu seiner Expedition aufgebrochen ist. Dann vergleicht man Fotos von damals und von heute und stellt fest: Das sieht ganz anders aus.
Dann vergleicht man Fotos [der Gleitscher] von damals und von heute und stellt fest: Das sieht ganz anders aus.
Wenn man auf die Zahlen guckt, sind wir derzeit fünfmal so schnell in der Eisschmelze wie in den 80er-Jahren. Selbst die mahnendsten Forscher, die vor zehn und mehr Jahren über den Eisrückgang gesprochen haben, sind um das zwei- bis dreifache von der Wirklichkeit abgehängt. Also die Änderung ist sehr robust, um es mal so auszudrücken.
Wetter in Deutschland wird durch die Eisschmelze in Grönland beeinflusst
SWR1: Viele sagen, Grönland, das ist irre weit weg. Wie genau beeinflusst es das Wetter bei uns, wenn dort die Gletscher schmelzen?
Plöger: Dann wird die Arktis übermäßig schnell warm. Drei Grad Erwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Wenn die Erwärmungen unterschiedlich sind und die Arktis sich übermäßig schnell erwärmt, das Eis sich zurückzieht, verändert das letztendlich - verkürzt ausgedrückt - die Zuggeschwindigkeit der Hochs und Tiefs. Und wenn ein Hoch sehr lange bei uns ist, bedeutet das, wenn man an den Sommer denkt, Dürre und Hitze. Ist ein Tief lange bei uns, bedeutet das Starkregen und Gewitter.
Wir hatten jetzt zwei sehr nasse Jahre. Davor war es ewig trocken und dann gab es eine Flutkatastrophe. Das heißt, am Ende ist es tatsächlich so: Wenn sich das Eis zurückzieht, hat man es mit einer Wetterküche auch für Europa zu tun. Dann verändern sich die Dinge, und zwar so, wie die Wissenschaft es eigentlich vor 30 bis 40 Jahren gesagt hat.
Sven Plöger: Müssen Chancen für die Zukunft nutzen
SWR1: Die Bundestagswahlen stehen an und man hat den Eindruck, dass das Thema Klimawandel in den Hintergrund gerückt ist. Haben wir Deutschen da momentan zu sehr die Scheuklappen auf?
Plöger: Ja, natürlich. Das Problem ist, wer im Moment Klimaschutz thematisiert, hat es auch wirklich schwer. Menschen in einer Umgebung, wo sie besorgt sind oder Ängste haben – und das darf man haben, wenn man im Moment auf die geopolitische Lage dieser Welt schaut – neigen dazu, sich an Altes festzuklammern. Das ist reine Psychologie. Genau das passiert im Moment.
Und dann haben wir natürlich noch Donald Trump, der sagt, "Drill, Baby, Drill, - wir wollen alles Fossil lösen". Es wird eine Transformation zur Nachhaltigkeit geben müssen, sonst frisst das unseren Wohlstand einfach auf. Diese Erkenntnis führt dazu, dass die Chinesen sagen, das ist eine ganz große wirtschaftliche Chance und Möglichkeit, Technologien zu entwickeln.
Nicht von Krisen entmutigen lassen
Plöger: Europa sollte das auch tun, sollte sich klarmachen, dass hier die Chancen der Zukunft liegen. Solange sich die USA als großer Konkurrent herausnehmen, ist das sogar eine Chance für uns. Man muss die Dinge andersherum denken, als man es im ersten Moment vielleicht tut, wenn man so Äußerungen von Herrn Trump hört.
Da ist man nachher entmutigt und sagt, es lohnt sich sowieso nicht. Wenn man das sagt, wird das eine selbsterfüllende Prognose. Wir haben wirklich die Möglichkeit, anders daran zu denken und dadurch auch Impulse zu setzen in die richtige Richtung. Nur, in der Politik fehlt mir das im Moment.