Sprachwissenschaftler ist besorgt

"Dialekte in Deutschland sind bedroht"

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Dialekte sind immer mehr vom Aussterben bedroht, obwohl sie durch eine Charta des Europarats geschützt sind. Das bestätigt auch der Sprachwissenschaftler Dr. Ralf Knöbl im SWR1 Interview.

Die "Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen" trat 1998 in Kraft und verpflichtet ihre Vertragsstaaten, den Gebrauch dieser Sprachen in allen möglichen Bereichen des öffentlichen Lebens aktiv zu fördern. Obowohl auch die Dialekte unter Druck stehen und immer weniger gesprochen werden, sind sie in der Charta jedoch explizit ausgenommen. Dr. Ralf Knöbl ist Sprachwissenschaftler am Leibniz-Institut für Deutsche Sprache in Mannheim. Im SWR1 Interview spricht er darüber, wie Dialekte langsam aussterben und was das Ansehen damit zu tun hat.

SWR1: Warum sind Dialekte wichtig?

Dr. Ralf Knöbl: Sprache an sich ist identitätsnah, und wenn man mit einer bestimmten Sprache aufgewachsen ist, dann gehört die zu einem und auch zur Gruppe. Man hat eine gemeinsame Sprache und für viele Sprecher und Sprecherinnen ist das immer noch der Dialekt. Also immer weniger, aber es ist doch der Dialekt dann die Sprache der Gruppe oder der Familie.

SWR1: Ich persönlich höre Dialekte sehr, sehr gerne. Und es gibt auch Dialekte, die stehen auf der Liste der bedrohten Sprachen, zum Beispiel Moselfränkisch. Kann ein Dialekt aussterben?

Knöbl: Ja, leider... Wahrscheinlich. Die Bedrohung wird schon lange gesehen und war dann eigentlich auch Motiv, um überhaupt die Dialektologie vor über hundert Jahren als Wissenschaft auch zu forcieren. Die Angst war immer da. Bis jetzt halten sich die meisten, aber das ist ein Sprachensterben. Dialekte in Deutschland sind bedroht, das kann man ganz klar sagen. Man sieht es am Niederdeutschen, das seit einer Weile den Status als Regionalsprache hat und besonders geschützt ist. Der war kurz vorm Sterben, der Dialekt des Niederdeutschen. In manchen Regionen mehr und in anderen weniger. Aber es wurde intergenerativ kaum weitergegeben, und das gleiche passiert mit den hochdeutschen Dialekten im im Süden und in der Mitte Deutschlands. Ein bisschen verzögert, aber es ist nicht mehr die Sprache unserer Kinder, sagen wir mal so. Mit Unterschieden natürlich zwischen Land und Stadt. In den Städten ist es schlimmer als auf dem Land, was den Verlust betrifft.

SWR1: Woran liegt das, dass die Dialekte drohen Auszusterben? Hat es nur mit dem Ansehen zu tun?

Knöbl: Das hat sehr viel mit dem Ansehen zu tun, mit Sozialprestige. Fast allen Dialekten, zumindest in Deutschland, hängt irgendwie ein schlechtes Image nach oder es gilt als ländlich und ungebildet. Es ist immer ein ganz schöner Vergleich, oder es ist für mich augenöffnend, wenn man in die Schweiz schaut, wo genau das nicht der Punkt ist, wo alle Dialekt sprechen: alle Bildungs- und Sozialschichten. Und wo eben Dialekt sprechen das Gegenteil von prestigelos ist. Da ist es eher schwierig, wenn man Schweizerhochdeutsch redet, da gilt man dann als versnobt.

SWR1: Sie beschäftigen sich wissenschaftlich mit Dialekten. haben sie einen Lieblingsdialekt.

Knöbl: Nee, die sind alle schön. Ich selber habe natürlich ein Herkunftdialekt und den hört man gern. Aber ich höre sie eigentlich alle gerne, nur leider immer weniger.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Frank Jenschar.

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