Soziologin Prof. Dr. Spellerberg

Wie sieht gute Nachbarschaft aus?

Stand
MODERATOR/IN
Steffi Stronczyk
Steffi Stronczyk (Foto: SWR)
ONLINEFASSUNG
Nadine Kratochvil

Was bedeutet Nachbarschaft aus wissenschaftlicher Sicht eigentlich für uns? Und welche Möglichkeiten gibt es eine bessere Beziehung aufzubauen?

Audio herunterladen (2,6 MB | MP3)

Darüber haben wir mit Prof. Dr. Annette Spellerberg gesprochen, sie ist Professorin für Stadt- und Regionalsoziologie an der RPTU Kaiserslautern-Landau.

SWR1: Ganz wissenschaftlich erklärt, was bedeutet Nachbarschaft für uns? 

Prof. Dr. Annette Spellerberg: Nachbarschaft bedeutet dem Ursprung nach "der nahe Bauer", also eine Person, die natürlich nah räumlich wohnen muss und die als Nothelfer vor allen Dingen zur Verfügung steht. Das heißt, das erste wäre erstmal, dass Nachbarschaft eigentlich dafür da ist, sich im Fall der Fälle zu unterstützen und weniger im Sinne von Gemeinschaft verstanden wird. 

Und wenn man die meisten Leute befragt, sagen sie auch "Was ich mir gut vorstellen kann, ist ein freundlicher, aber auch ein relativ distanzierter Kontakt". Man möchte sich also nicht in den Topf gucken und wenn das mehr ist, dann sind die Leute sehr glücklich darüber, aber das ist auch nicht der Normalfall. Es gibt sehr viele Leute, die haben gar nicht viele Kontakte, sind aber sehr zufrieden mit ihrer Nachbarschaft, weil sie eben genau solche Verhältnisse auch suchen.

SWR1: In der Stadt bleibt es ja oft bei einer gewissen Anonymität, während sich in den Dörfern eher diese gewisse nachbarliche Nähe entwickelt. Ist das nur ein Vorurteil oder stimmt das wirklich?

Spellerberg: Das ist so und empirisch tatsächlich bestätigt, dass in den Dörfern die Menschen häufiger Kontakt haben und der auch intensiver ist. In der Stadt weniger, aber wie gesagt, in der Stadt sind die Menschen deswegen nicht unzufriedener. Gerade junge Menschen verlassen auch häufig das Dorf, damit man aus der sozialen Kontrolle, die mit Nachbarschaft auch einhergeht, entschwinden kann.

SWR1: Wenn es mit der Nachbarschaft vielleicht nicht ganz so rund läuft und Sie diese Distanz überwinden möchten — gibt es da Möglichkeiten, eine bessere Beziehung aufzubauen? 

Spellerberg: Ja, es gibt Möglichkeiten, dass man soziale Kontakte herstellt. Gibt es zum Beispiel ein Quartiers-Management, werden Feste organisiert, Treffen, Kurse, gemeinsames Kochen oder andere Aktionen geplant? Nimmt man daran teil, lernt man Nachbarn kennen und die Nachbarschaft insgesamt wird gestärkt. Das ist eine Variante.

Und es ist ja auch die Frage: Wer ist der Nachbar oder die Nachbarin? Ist das die Person direkt Tür an Tür, Haus an Haus oder kann man auch den Nachbarschafts-Kreis etwas weiter verstehen und damit vielleicht auch Personen finden, die ähnliche Werthaltung, ähnliche Lebensphase oder Lebensstile haben, und man sich dann näher kommen kann? Aber man muss tatsächlich erst einmal sozial irgendwie in Kontakt treten.

SWR1: Welche drei wichtigen Punkte gehören unbedingt dazu, damit Nachbarschaft eine Zukunft hat? 

Spellerberg: Freundlichkeit, Toleranz und Offenheit. 

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Steffi Stronczyk.

Mehr Interviews

Mainz-Drais

Obstbauer aus Mainz-Drais berichtet Kälteeinbruch: Obstbauern fürchten um Ernte

Wenn es nachts kalt wird und Temperaturen um die Null Grad herrschen, stoßen viele Obst- und Weinbauern auf Probleme. Denn bei Kälteeinbrüchen steht die Ernte auf dem Spiel.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz

Fragen an Verkehrsrechtlerin Melanie Knoll Darf ich mit Sommerreifen im Winter-Frühling fahren?

Ende April ist der Winter zurück, aber viele Autofahrer haben schon wieder Sommerreifen aufgezogen. Rechtsanwältin Melanie Knoll über die rechtlichen Folgen.

Der Vormittag SWR1 Rheinland-Pfalz

Egoistische Gesellschaft Rücksichtslosigkeit beginnt schon bei Kindern

Unsere Gesellschaft wird egoistischer und rücksichtsloser. Schon bei Kindern ist diese Veränderung zu erkennen. Woran das liegt, erklärt uns Prof. Dr. Holger Ziegler.

Guten Morgen RLP SWR1 Rheinland-Pfalz