SWR1: Welche Rolle spielen denn unsere Gene bei unserer Persönlichkeit?
Bärbel Wardetzki: Gene sind veränderbar. Aber sie sind sozusagen eine körperliche Basis, mit der wir ausgestattet werden. Je nachdem, wie die Umwelteinflüsse sind und wie unsere Entwicklung ist, verändern sich die Gene auch oder werden verfestigt.
Das heißt, die Gene sind nicht etwas, was uns ein Leben lang prägen wird. Wir können auch, selbst wenn wir älter werden, manches an uns auch verändern. Wenn wir merken, dass etwas vielleicht noch in der Kindheit gestimmt hat, aber jetzt nicht mehr, können wir solche grundlegenden Bedingungen in uns selbst verändern.
SWR1: Kann man das verallgemeinern, welche Verhaltensweisen wir von den Eltern übernehmen?
Wardetzki: Das kann im Grunde alles sein. Das können Einstellungen sein, die Art wie ich mich bewege, wie ich mit meinem Körper umgehe, wie ich mit anderen Menschen umgehe. [...]
Oftmals sind es auch die Sprüche, die wir hören, "Du bist ja wie die Mama". Das verstärkt natürlich bestimmte Verhaltensweisen oder Einstellungen in uns. Aber im Grunde können wir von den Eltern fast alles übernehmen.
SWR1: Wenn man nicht so sein will wie seine Mutter, kann man daran schrauben?
Wardetzki: Daran kann man schrauben. Aber interessanterweise ist gerade das, was wir von den Eltern nicht übernehmen wollen, meist das, was wir übernehmen. Und wir sollten uns dann damit beschäftigen und uns fragen, was ist daran für mich so schwierig?
Denn oftmals sind es Sachen, die für uns früher schwierig waren und heute gar nicht mal so schlecht sind. Wenn jemand sagt, ich möchte nie so werden wie meine Mama, dann ist das das beste Rezept, genauso zu werden. [...]
Und dennoch sind wir völlig andere Menschen. Wir werden dadurch nicht wie die Mutter oder wie der Vater. Sondern es sind Verhaltensweisen, Einstellungen und Denkmuster - und trotzdem sind wir anders. Dieses Anderssein […] zu finden, auch wenn einiges ähnlich ist, ist das, was uns wirklich gerecht wird.
Psychotherapeutin Bärbel Wardetzki: Warum sind Trennungen so schwer?
SWR1: Wann ergibt es Sinn, sich komplett von den Eltern zu lösen?
Wardetzki: Das ist nicht so einfach. Ich habe es in meiner Praxis erlebt, dass Menschen mit der Familie gebrochen haben. [...] Ganz häufig sind es Entwertungen, die man mitkriegt.
Oder das nicht verstanden worden sein oder das Gefühl, ich mache immer alles falsch und kann dem anderen nicht genügen. Wenn das im Kontakt ganz stark und im Vordergrund ist, kann es manchmal erleichternd sein, wenn man sagt, "Ich ziehe mich jetzt mal zurück".