Soziologe Prof. Heinz Bude

Generation Boomer: Es sind immer zu viele gewesen!

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Steffi Stronczyk
Steffi Stronczyk
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SWR1

Die Generation der Baby-Boomer stellt gut ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Wir haben mit dem Soziologen Heinz Bude über die Merkmale der Generation gesprochen.

Mit der Generation der Boomer, oder Baby-Boomer bezeichnen wir die Menschen, die zwischen 1955 und 1970 geboren wurden. Diese Generation stellt heute fast ein Drittel der deutschen Bevölkerung. Der Soziologe Prof. Heinz Bude von der Universität Kassel hat diese Generation erforscht und sich mit Steffi Stronczyk darüber unterhalten.

SWR1: Die Generation der Boomer ist mit nur drei Fernsehprogrammen groß geworden. Was kennzeichnet diese Generation noch?

Prof. Heinz Bude: Die Boomer wurden als Hoffnungsträger eines Neuanfangs begrüßt, weil sie mit dem Krieg eigentlich nichts mehr zu tun hatten. Die Generation vorher, die man dann irgendwann 68er-Generation genannt hat, das waren eigentlich noch Kriegskinder. Die haben den Krieg als Kinder mitgemacht. […]

Es sind immer zu viele gewesen, das ist [...] der Kern des Lebensgefühls der Boomer.

Die ab Jahrgang 1955 oder sagen wir mal 58, das ist ein bisschen variabel, die haben eigentlich nichts mehr vom Krieg mitbekommen, jedenfalls nicht direkt. Denen wurde gesagt, ihr seid zwar die Hoffnungsträger, aber leider seid ihr zu viele für die Institutionen und das Bildungssystem. […] Und dann geht das im Arbeitsmarkt noch mal weiter.

Das wird auch die Boomer im Alter treffen. Denn dann sind es auch ein bisschen zu viele für die ganzen Seniorenheime und die Krankenhäuser und so weiter. Also es sind immer zu viele gewesen. Das ist, glaube ich, der Kern des Lebensgefühls der Boomer.

SWR1: Was hat diese Generation geprägt?

Bude: Eine ganz wichtige Prägesituation für die Boomer, jedenfalls im Westen, sind die 1980er-Jahre. Da sind die Boomer in der Zeit ihres ersten Erwachsenenalters und merken plötzlich, dass die Dinge ziemlich auf Grund laufen können.

Die erste Erfahrung war Aids, darf man nicht vergessen. Das war die erste große Pandemie, die wir nach dem Zweiten Weltkrieg gehabt haben. Eine ziemlich gravierende Angelegenheit. Dann gibt es Ende der 1980er-Jahre noch einen Schlag, das ist Tschernobyl.

Und das ist etwas, glaube ich, was die Boomer sehr geprägt hat. Diese Erfahrung als Kollektiverfahrung. Das eigentlich nicht so wahnsinnig viel im Leben gesichert ist. Also, dass es die Unsicherheit […] in den Lebensläufen, was die Bildung und die Beschäftigung betrifft, plötzlich auch als kollektive Verunsicherung gibt. Das ist etwas, was sich den Boomern tief eingeprägt hat.

SWR1: Gib es den klassischen Lebensentwurf der Boomer?

Bude: Nein. Bei den 68ern meint man, die könnte man irgendwie erkennen. Ist natürlich auch eine Illusion, aber bei den Boomern geht es schon gar nicht. Das läuft sehr auseinander. Man kann sich sogar fragen: Ist das wirklich eine Generation oder nur eine Jahrgangsgemeinschaft?

Sicherlich sind sie mehr und mehr zur Generation geworden. Denken Sie mal dran, dass der Jahrgang 1964 der geburtenstärkste Jahrgang der Bundesrepublik ist. Wir haben etwa 1,3 Millionen Leute, die in diesem Jahr 60 werden.

SWR1: Pershing 2, Tschernobyl, AIDS, die RAF – ist die Generation der Boomer dadurch sehr politisch?

Bude: Nicht im klassischen Sinne politisch. Für sich selbst sind sie eigentlich eher skeptisch gegenüber ideologischen Politisierungen. Es gibt auch eine große Vielfalt von politischen Überzeugungen bei den Boomern.

Die nächste Bundestagswahl wird vielleicht zwischen zwei Boomern, zwischen Olaf Scholz und Friedrich Merz entschieden und die sind sehr unterschiedlich. Beide eint, glaube ich, sogar ein Lebensgefühl, obwohl sie ganz unterschiedliche, fast konträre politische Überzeugungen haben.

Das Gespräch führte Steffi Stronczyk.

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