Ein Modellohr mit Akupunkturpunkten. Eine Hand steckt eine Akupunkturnadel in einen Punkt hinein. (Foto: AdobeStock/Africa Studio)

Alternative Heilmethoden

Dr. M. Werner: Naturheilkunde mit Schulmedizin kombinieren

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SWR1

Alternative Medizin boomt. Aber was hilft wirklich? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Immer häufiger werden alternative und herkömmliche Therapieansätze miteinander kombiniert. Das geschieht beispielsweise an der Klinik für Naturheilkunde und integrative Medizin der Evangelischen Kliniken Essen-Mitte, eine der renommierten Kliniken Deutschlands für Naturheilkunde.

Wir haben Dr. Marc Werner, Direktor der Essener Klinik, im SWR1 Interview gefragt, was bei ihm anders läuft als in einem herkömmlichen Krankenhaus.

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SWR1: Was machen Sie anders als eine herkömmliche Klinik?

Dr. Werner: Also, von unseren Krankenhäusern gibt es bundesweit vier bis fünf Kliniken. Wir haben ein besonderes Profil aufgebaut. Was wir anders machen – vielleicht fangen wir damit an, was wir gemeinsam machen. Und da fängt es auch mit dem Wort "Alternativ" an. Wir machen, da wo nötig, erst mal die konventionelle Versorgung.

SWR1: Sprich, da kommt ein Patient mit einem Herzinfarkt oder einem Knochenbruch. Dann kriegt er das ganz konventionell behandelt?

Werner: Das sind jetzt nicht meine Schwerpunkte. Aber selbstverständlich würde ich die dann einfach dahin leiten, wo sie konventionell behandelt werden. Die große Frage ist ja nicht statt, sondern und. Wenn man fragt: Jemand hat eine Lungenentzündung, geben Sie dann kein Antibiotikum? Natürlich! Antibiotikum, Sauerstoff. Aber was kann man noch zusätzlich machen?

SWR1: Welche Krankheit wird in ihrem Krankenhaus am meisten behandelt?

Werner: Wir haben ganz viel mit chronischen Schmerzerkrankungen zu tun. Chronische Schmerzerkrankungen – vielleicht kennen Sie das aus Ihrem Bekanntenkreis – der Rücken tut weh, das Knie tut weh, immer wiederkehrende Kopfschmerzen. Und dann fängt die Odyssee an und die Menschen werden operiert, haben Physiotherapie, nehmen Schmerzmittel. Aber kommen aus diesem Kreislauf des Schmerzes nicht heraus. Die Mittel reichen einfach nicht aus. Da würden wir versuchen, mit kleinen oder mit großen Lösungen etwas zu verändern. Eine kleine Lösung ist jetzt, jemand kommt mit Rückenschmerzen. Dann können Sie ihn einfach osteopathisch behandeln. Und wenn es dann gut ist, dann ist ja auch gut. Eine große Lösung ist, dass sie sagen, wir brauchen aber noch viel viel mehr und die eine Behandlung hat nicht gereicht. Wir müssen am Rücken auch den Stoffwechsel in den Griff kriegen. Wir müssen das Bewegungsverhalten verändern. Um den Stoffwechsel in den Griff zu kriegen, müssen Sie sich anders ernähren, müssen anders trinken. Um das Bewegungsverhalten in den Griff zu bekommen, müssen Sie Anleitung durch einen Physiotherapeuten haben, Qigong lernen, Yoga machen und irgendetwas sinnvoll, therapeutisches machen, um das Verhalten zu verändern. So fangen wir an.

SWR1: Sind bei Ihnen auch Menschen, die möglicherweise sehr schwer bis lebensbedrohlich erkrankt sind und für die Sie quasi die letzte Hoffnung sind, weil die normale Schulmedizin nichts mehr bieten kann?

Werner: Wenn ein Mensch eine Krebserkrankung hat oder eine schwere, fortgeschrittene Erkrankung, dann liegt die Heilung nicht darin, die normale Medizin abzulehnen und stattdessen etwas anderes zu machen, sondern das zu kombinieren, das Beste rauszuholen, was sie für sich tun können. Solche Patienten begleiten wir dann schon im Rahmen von anderen Erkrankungen. Die Basistherapie wird fortgeführt. Anders geht das gar nicht.

Und das mit der letzten Hoffnung, das finde ich immer ein bisschen schwierig. Ja, wir haben Patienten, die sagen, wenn Sie mir mit meinen Schmerzen nicht helfen, dann weiß ich auch nicht mehr weiter. Es geht immer weiter.

Es ist ein anderes Herangehen, eine andere Haltung

SWR1: Sie sind Mitte 40, haben eine normale Medizinerausbildung gemacht. Wo war der Punkt an dem Sie gesagt haben, ich bin jetzt irgendwie doch lieber auf dem alternativen Medizin-Pfad unterwegs.

Werner: Ich habe mich bereits im Studium für Akupunktur interessiert. Und da schon einige Kurse gemacht, immer ein bisschen über den Tellerrand geschaut und das dann auch ein bisschen während der normalen Ausbildung fortgeführt. Ich habe dann auch meine Doktorarbeit in der Naturheilkunde gemacht und dann erst die gesamte konventionelle Ausbildung mit Intensivstation und mit Notarzt fahren. Was mich besonders begeistert, ist ein anderes Herangehen, eine andere Haltung. Wenn Sie Bluthochdruck haben, dann können Sie sagen, ich habe einen Fehler im Körper und nehme eine Tablette. Und wenn das dann nicht besser wird, dann nehme ich noch mehr Tabletten. Oder Sie können hingehen und überlegen, welche Einflussmöglichkeiten Sie selber haben. Hat es was mit meinem Ernährungsverhalten zu tun? Wenn Sie sich vegetarisch ernähren, sinkt ihr Blutdruck. Hat es was mit Entspannungsverfahren zu tun? Hat es was mit Stressverarbeitung zu tun? Hat es was mit Bewegungsverhalten zu tun? Das ist alles nachweisbar. Auf diesen Ebenen naturheilkundlich hinzugehen und die Verantwortung selber zu übernehmen und nicht zu sagen, ein Symptom ist ein Fehler, dass der Arzt mit OP oder Pille wegmachen kann, sondern man kann selber die Verantwortung übernehmen. Das war für mich der eine Punkt.

Und der andere Punkt, ist eine Kunst. Wir müssen die Impulse setzen, dass der Mensch darauf mit Gesundung reagiert. Wenn Sie eine Akupunktur machen – der Mensch wird ja nicht durch die Akupunktur gesund, sondern Sie setzen Mikrotraumen aufs vegetative Nervensystem, und das vegetative Nervensystem reagiert auf diese Mikrotraumen mit einer Verbesserung der Gesundheit. Das heißt, wir setzen Impulse. Der Mensch reagiert darauf mit Heilung. Die Annahme, dass jeder Mensch die Fähigkeit zur Gesundung hat, steht dahinter, also Eigenverantwortung, Gesundheitsfähigkeit und das gemeinsam mit einem Patienten zu machen, das begeistert mich total.

Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.

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