Umstrittenes Verfahren

Hilft Blutwäsche bei Long Covid?

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SWR1

Etwa jeder zehnte Patient kämpft mit Long Covid. Hoffnung gibt ein Blutwäscheverfahren, bei dem Menschen Blut an einem Arm abgenommen, an einer Maschine gereinigt und wieder zugeführt wird. Doch diese Therapie ist nicht unumstritten, sagt Prof. Dr. Jan Kielstein, Experte für Blutreinigungsverfahren.

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SWR1: Sie sind kein Freund dieser Long-Covid-Behandlung (Behandlung durch Blutwäsche, Anm. d. Red.). Warum nicht?

Prof. Dr. Jan Kielstein: Das würde ich so nicht sagen. Ich bin als Mediziner sehr vorsichtig, was neue Therapieverfahren anbelangt, die nicht untersucht worden sind und die einfach nur darauf beruhen, dass Menschen nach der Therapie sagen: "Mir geht es danach viel besser." Das reicht nach heutigen Standards, die wir in der Medizin haben nicht aus, um ein Verfahren, das sehr teuer ist, das ich aus der eigenen Tasche bezahlen muss, und das nicht frei von Nebenwirkungen ist, durchzuführen.

SWR1: Das heißt, es fehlen einfach noch Erfahrungswerte?

Prof. Kielstein: Es fehlen Erfahrungswerte. Und Blutreinigungsverfahren, da gibt es nicht das eine, sondern es gibt ganz, ganz viele unterschiedliche Verfahren, die auch unterschiedliche Dinge machen. Worüber wir hier reden, ist ein Verfahren, was ursprünglich entwickelt worden ist, um extrem erhöhte Blutfette aus dem Blut herauszuwaschen von Menschen, die häufig genetisch bedingt extrem hohe Blutfettwerte haben und dann schon im Alter von 30 Jahren zum Beispiel einen Herzinfarkt haben. Die Idee jetzt ist, das vielleicht irgendwelche kleinen Gerinnsel nach einer Covid-Erkrankung im Blut herumschwimmen können, die man mit dieser Methode entfernt. Aber es ist eben nur eine Methode der Blutwäsche, die bei Long Covid verwendet wird. Eine andere ist die, dass man versucht Antikörper, also Eiweiße, Autoantikörper, zu entfernen. Aber das ist dann wieder eine ganz andere Form der Blutwäsche.

SWR1: Unter anderem wird das Verfahren von einer Ärztin aus Mülheim an der Ruhr praktiziert, die auch in einer Doku von Eckart von Hirschhausen vorgestellt worden ist. Darin erzählen dann unzählige Patienten, dass ihnen diese Methode auch sehr geholfen hat. Wie erklären Sie sich das?

Prof. Kielstein: Ich kenne viele Patient*innen, die genau dort behandelt worden sind und denen es danach nicht besser gegangen ist. Und das ist natürlich immer schwierig. Eine Fernsehdokumentation ersetzt eben keine medizinische Studie. Dass wir ein Konzept benötigen und dass wir das Thema nicht einfach abtun können, das ist ganz klar. Und ich finde, das ist der Effekt, den Herr von Hirschhausen natürlich erreicht hat. Er hat Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen. Das ist sicherlich eine gute Geschichte, aber das, was ich erlebe, ist, dass eine solche Sendung ganz vielen Menschen sehr große Hoffnung macht. Und ich sehe auch die Gefahr, dass durch die private Finanzierung solcher Therapien sich erneute Tragödien abspielen. Wenn man dann die Eigentumswohnung, für die man ein halbes Leben gespart hat, verkauft, um die Therapien zu bezahlen, dann kommen wir in einen Bereich, den ich wirklich sehr kritisch finde.

Ich kenne viele Patient*innen, die dort behandelt worden sind und denen es danach nicht besser gegangen ist.

SWR1: Welche Rolle spielt denn ihrer Meinung nach das Blut bei einer Long Covid oder Post Covid Erkrankung?

Prof. Kielstein: Das wissen wir nicht, das muss man ganz klar so sagen. Wir wissen, dass es bei der akuten Covid Erkrankung ganz eklatante Auffälligkeiten des Gerinnungssystems gibt. Das ist unstrittig, das ist auch sehr gut charakterisiert. Da wissen wir auch mittlerweile sehr gut, wie wir damit umgehen können. Und bei der Long-Covid-Erkrankung, das ist ja eher ein Syndrom. Das ist ja nicht ganz klar definiert, weil es unterschiedliche Beschwerden gibt. Es gibt die Denkstörung, diesen sogenannten Brainfog. Es gibt die Luftnot bei Belastung, das kann, was mit dem Herzen oder der Lunge zu tun haben. Dann gibt es dieses Fatique-Syndrom - dieses Erschöpftsein nach relativ geringen Anstrengungen. Und ich gehe davon aus, dass wir für diese drei unterschiedlichen Komponenten nicht eine einzige biologische Grundlage finden. Und deswegen glaube ich auch nicht, dass wir mit einer Maßnahme, mit einem Medikament, mit einer Blutwäscheform den vielen Menschen helfen können.

Wenn man dann die Eigentumswohnung, für die man ein halbes Leben gespart hat, verkauft, um die Therapien zu bezahlen, dann kommen wir in einen Bereich, den ich wirklich sehr kritisch finde

SWR1: Was raten Sie denn Patienten, die an Long Covid oder Post Covid leiden und einfach jetzt nicht mehr weiterwissen?

Prof. Kielstein: Ich glaube der wichtigste Punkt ist die Gesundheitspolitik. Und die Kostenträger sprich, die Krankenkassen weiter zu motivieren oder um es krasser zu sagen, unter Druck zu setzen, sich mit diesem Thema zu beschäftigen. Denn zigtausende von Euro, die man teilweise gar nicht selbst hat, für so eine Therapie auszugeben, belegt ja den enormen Druck, der bei diesen Menschen herrscht. Die machen das ja nicht aus Jux und Dollerei. Das ist ja keine Lifestyle Entscheidung, sondern es ist Ausdruck einer Hoffnungslosigkeit und Ausdruck der Tatsache, dass unser Gesundheitssystem bis jetzt keine vernünftigen Antworten auf diese Probleme der Patientinnen gefunden hat. Das was ich jetzt an Anstrengungen in finanzieller Art sehe, für Forschung im Bereich Long Covid, reicht nach meinem Dafürhalten überhaupt nicht aus, um der Dimension dieses Problems gerecht zu werden.

Das Interview führte Steffi Stroczyk.

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