Deniz Akpinar hat als Krankenschwester im türkischen Erdbebengebiet gearbeitet. Auch das Klinikpersonal vor Ort ist traumatisiert von der Katastrophe, erzählt sie im SWR1 Interview.
Bei dem verheerenden Erdbeben in der Türkei und in Syrien sind mehr als 50.000 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als einen Monat nach der Naturkatastrophe mangelt es weiter an lebenswichtigen Gütern. Als Deniz Akpinar vor sechs Wochen von dem Erdbeben gehört hat, war die Krankenschwester gerade im Dienst an der Uniklinik in Mainz. Ihr war sofort klar, dass sie helfen wollte. Denn es ist ihre Heimat, ihre Familie und Bekannte leben dort. Akpinar hat vor Ort in der Notaufnahme einer Klinik im Erdbebengebiet gearbeitet. Inzwischen ist sie wieder zurückgekehrt.
SWR1: Sie haben vor Ort in der Notaufnahme einer Klinik im Erdbebengebiet gearbeitet. Das war bestimmt komplett anders als in der Uniklinik.
Deniz Akpinar: Das war ja für mich schon ein Kulturschock, obwohl ich da herkomme. Diese Einblicke in ein Krankenhaus waren für mich ein kompletter Schock. Die Menschen waren psychisch instabil. Das Personal, die Ärzte, die Pflegekräfte haben alle funktioniert und gearbeitet, so wie ich das da drüben auch gemacht habe. Aber sie waren selber vom Erdbeben betroffen. Das heißt, sie haben teilweise Angehörige verloren, haben aber trotzdem weiter gearbeitet. Und das war für mich schon ziemlich schockierend. Man hat gesehen, dass die selber auch nicht klar kamen.
SWR1: In den Städten ist die Hilfe ja offenbar ganz gut organisiert. Wie läuft es denn auf dem Land, in den Dörfern?
Akpinar: Da hat man direkt den Unterschied gemerkt. Die hatten keinen Zugang zu Medizin. Hygiene- und Pflegeartikel haben wir da verteilt. Da waren teilweise Kinder mit einem schlechten Zahn-Status. Die konnten sich selber kaum versorgen. Kein Essen, keine Klamotten, teilweise hausten da welche einfach auf der Straße. Es war schon wie ein Vergleich zwischen reich und arm.
SWR1: Jetzt ist die Türkei kein armes Land, es ist auch unglaublich viel an Spenden zusammengekommen. Wo klemmt es denn da?
Akpinar: Eigentlich an Leuten vor Ort. Keiner ist da, um überhaupt mit den Leuten zu sprechen. Das, was die Menschen dort brauchen, sind ganz viele Trauma-Therapeuten. Sie haben uns gesagt, es tut uns einfach gut, dass jemand da ist, der mit uns spricht
SWR1: Mit welchen Gefühlen sind Sie jetzt wieder daheim?
Akpinar: Ich bin mit gemischten Gefühlen wieder zurückgeflogen, weil erstens die politische Situation dort ausartet. Dann die Sachen, die ich gesehen habe, die Menschen, mit denen ich geredet habe – das hat mich sehr geprägt. Das waren teilweise schockierende Sachen. Ich war einfach auch froh, dass ich wieder festen Boden unter meinen Füßen hatte. Ich habe mich hier einfach wieder sicher gefühlt. Aber ich bin hier immer noch mit gemischten Gefühlen. Ich glaube, das dauert auch, bis ich das verarbeite.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.
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