Das Vertrauen in Politik und Staat ist auf dem Tiefpunkt. Und dann steht es auch noch schlecht um die Wirtschaft.
Vor diesem Hintergrund trifft sich die Ampel-Koalition auf Schloss Meseberg, um sich auf die zweite Amtshälfte vorzubereiten. Wir haben den Journalisten und Autor Hajo Schumacher im SWR1 Interview gefragt, was er der Ampel-Koalition jetzt am liebsten zurufen würde.
SWR1: Stellen wir uns vor, Sie würden heute zur Eröffnung der Klausur auf Schloss Meseberg eine Begrüßungsrede halten. Was würden Sie der Ampel zurufen?
Hajo Schumacher: (lacht) Sehr lustig. Ich glaube, ich würde auf YouTube irgendeine Kabinenansprache heraussuchen von einem Fußballtrainer, der ruft: "Boah, jetzt zusammenhalten und raus geht's und zweite Halbzeit..."
SWR1: Also so ein bisschen tschakka, tschakka....
Schumacher: Total, weil ich glaube, mit Vernunft kommt man ja gar nicht weiter. Man muss an die Herzen. Denn eines hat diese Dreierkonstellation immer noch nicht so richtig kapiert. Sie regieren! Viele haben noch so ein Oppositionsverhalten, wo man sich hintenrum noch mal einen mitgibt und hier ein bisschen "rumnickelt". Am Ende gilt wie beim Fußball: gewonnen wird gemeinsam, verloren wird getrennt, wenn jeder sein Ding macht.
SWR1: Aber man muss ja schon auch sagen, Diskussionen gehören zur Demokratie dazu. Und jetzt sind es nun mal drei, zum Teil auch sehr unterschiedliche Parteien. Warum ist es aber offensichtlich einer großen Mehrheit der Menschen zu viel mit dieser Diskussion?
Schumacher: Wir haben es jetzt bei der Kindergrundsicherung erlebt. Das war ein Thema, das im Koalitionsvertrag steht. Der Rahmen war gesetzt. Warum kriegen es diese beiden, nämlich Finanzminister Christian Lindner und Familienministerin Lisa Paus, nicht hin, sich zu einigen? Warum müssen die am Sonntagnachmittag im Kanzleramt antanzen, quasi "betreutes Verhandeln" bis Mitternacht, um dann als Ergebnis etwas herauszubekommen, was eigentlich schon so ungefähr im Koalitionsvertrag stand?
SWR1: Steckt die Demokratie Ihrer Meinung nach in der Krise?
Schumacher: In den USA auf jeden Fall. Bei uns im Gegenteil. Ich glaube, dieser Laden funktioniert gar nicht so schlecht angesichts der Probleme.
SWR1: Inwieweit kann so eine zweitägige Klausurtagung wirklich etwas ändern und vor allem das Vertrauen wieder stärken?
Schumacher: Wir wissen ja selber: Vertrauen ist so ein Ding. Das braucht ziemlich lange, um zu wachsen und es ist ziemlich flüchtig. Es verschwindet ziemlich schnell. Also, es gibt jetzt ein Wettrennen bis zur nächsten Bundestagswahl. Gewöhnen wir Bürgerinnen und Bürger uns an diesen "Scholz-Stil"? Wir dachten ja immer, der muss anders kommunizieren, er muss mal morgens einen Kaffee mehr trinken und so weiter. Nein, der ist so. Wir dachten immer, Angela Merkel kann man nicht steigern. Aber doch – kann man (lacht), es ist Olaf Scholz.
Dieser Stil, sie dann einzubestellen und mit denen alles jetzt noch einmal gemeinsam zu machen – er wird natürlich keine Kabinenansprache in Meseberg halten – daran werden wir uns gewöhnen müssen. Wir haben es bei Robert Habeck gesehen. Der hat seinen "Wärmepumpen-Schock" gehabt. Er ist jetzt ein bisschen leiser und ein bisschen "erklärungswütiger" geworden, wieder so wie früher zu seinen besten Zeiten. Man kennt das: Man muss einmal durch die Hölle durch, um dann wieder aufzusteigen.
Und letzter Punkt: Wir haben es mit einer ganzen Reihe von Ministerinnen und Ministern zu tun, die das noch nie vorher gemacht haben, wie Frau Paus zum Beispiel. Dann merkt man eben auch, wenn man aus der Regionalliga kommt, ist die erste Liga oder die Champions League eine Spur härter.
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
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