SWR1: Was würdest du jemandem sagen, der noch nie gegärtnert hat? Was hat er verpasst?
Natalie Bauer: Ich glaube, man verpasst das Gefühl, Teil von etwas zu sein. Ich finde, dieses Gefühl haben wir nicht mehr so oft als Menschen, weil wir in vielen Funktionsräumen unterwegs sind. Wir sind auf Tankstellen, im Supermarkt, im Büro. Aber diese Räume kommunizieren tatsächlich nicht mit uns.
Sobald ich den Garten betrete oder auch in die Natur gehe, da bin ich ja sofort ein Teil von ihr. Ich werde sofort von ihr eingenommen. Da baut eine Spinne ein kleines Netz in meiner Brille. Mein Haus-Eichhörnchen guckt, ob ich heute eine Haselnuss dabei habe.
Ich bin sofort drin. Viele Menschen fühlen sich heutzutage oft allein und ich glaube, das ist, weil wir nicht mehr dieses Gefühl haben, ein Teil der Natur oder ein Teil von etwas Großem zu sein.
Gartenexpertin Natalie Bauer: Gartenarbeit setzt Kuschelhormon frei
SWR1: Was ist dein schönster Gartenmoment?
Bauer: Das ist eigentlich immer der Moment, wenn ich in den Garten eintrete und diese Schönheit sehe. Ich sage dazu, diese Schönheit killt mein Ego.
Es ist ja wirklich so im Garten. In der Natur werden viele neurobiologische Prozesse in unserem Gehirn ausgelöst und angekurbelt. Depressionen, Unruhe, Angst reduzieren sich. In der Natur und im Garten werden Hormone ausgeschüttet, die uns auf einmal empathischer machen.
Das finde ich so interessant. Wir gehen in die Natur und finden andere Menschen sympathischer. Und der Kontakt zur Natur setzt sogar das Kuschelhormon Oxytocin frei.
Das ist für mich einfach der Beweis, dass wir Kinder der Natur sind und dass wir zu einer Beziehung mit der Natur fähig sind.
Plädoyer für die Gartenarbeit | Kameliengarten
Gartenexpertin Natalie Bauer: Einfach mal drauf einlassen!
SWR1: Wie können wir Routinearbeiten im Garten, wie das Rasenmähen zu einem solchen Gartenerlebnis machen?
Bauer: Wenn man sich so gar nicht darauf einlassen kann, dann ist es vielleicht ganz gut, manchmal seine Einstellung zu überdenken. […] Gibt es vielleicht doch irgendwas Positives an dieser Arbeit? Und sei es nur zu sagen, es ersetzt den Gang ins Fitnessstudio. Dann kann man das irgendwie auch zum Positiven nutzen und sich einfach drauf einlassen.
SWR1: Welches Gefühl umschreibt für dich Gartenarbeit am besten?
Bauer: Wenn ich richtig in der Gartenarbeit drin bin, gibt es gar kein Gefühl. Da gibt es so eine weite Leere, eine absolute Ruhe in den Gedanken. Das ist ein Raum, wo alles möglich ist und wo kein menschlicher Gedanke irgendwas einschränkt oder schlecht redet. Das ist es für mich, das volle Potenzial des Lebens auszuschöpfen.