Ulrike Schmidt-Bommas begleitet Kinder, Erwachsene und Familien im Verein "Trauernde Eltern & Kinder Rhein-Main" und im Mainzer Hospiz.
Unterschiede bei Kindern und Jugendlichen
SWR1: Wie gehen Kinder mit Verlust und Schmerz um?
Ulrike Schmidt-Bommas: Kinder sind direkter. Kinder sind spontan und fragen in dem Moment, in dem sie etwas interessiert. Und dann gehen sie auch wieder aus dem Thema raus. Das irritiert Erwachsene oft.
SWR1: Gibt es Unterschiede im Alter bei kleinen Kindern und Teenagern?
Schmidt-Bommas: Absolut. Meistens denkt man, für kleine Kinder ist es viel schwieriger und die Teenager sind schon größer, die verstehen mehr. Es ist eher umgekehrt.
Kleine Kinder sind noch gar nicht in der Lage, vom Wissen her zu verstehen, was Tod bedeutet und was für Auswirkungen das hat. Das heißt aber nicht, dass sie nicht trauern. Die spüren sehr viel. Teenager sind selbst in einem schwierigen Alter und wenn sie mit Tod konfrontiert werden, können sie in echte Krisen gestürzt werden.
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So können Eltern Kinder in ihrer Trauer begleiten
SWR1: Wie kann ein Hinterbliebener oder ein trauernder Elternteil die Kinder altersgerecht begleiten?
Schmidt-Bommas: Das Wichtigste ist, die Kinder mitzunehmen, ehrlich zu sein und mit ihnen zu sprechen. Die Dinge beim Namen zu nennen und nicht zu beschönigen: Papa oder Mama sind gestorben. Sie ist tot oder er ist tot.
Sie sind nicht eingeschlafen. Der Papa oder die Mama, die noch da sind, schlafen auch abends ein, wachen sie dann morgens auch nicht auf? Sie sind auch nicht von uns gegangen. Wer weggeht, kommt wieder. Sie sind auch nicht verloren gegangen. Man sucht, was verloren ist. Sie sind gestorben.
SWR1: Es kann auch sein, dass Kinder ihren Papa, ihre Mama schonen wollen und alles herunterschlucken. Können da Außenstehende ins Spiel kommen?
Schmidt-Bommas: Auf alle Fälle. Das ist toll, wenn es da jemanden gibt. Man nennt das eine stabile Person, die die Situation kennt, aber nicht so betroffen ist. Es ist tatsächlich oft so, dass die Kinder nicht mit ihren Eltern sprechen, weil sie sie schonen wollen.
Aber wenn dann jemand da ist und sagt: "Du kannst mir sagen, was ist. Wir können auch lustig sein, das gehört auch dazu. Aber wir können auch weinen. Und wir halten das aus." Das kann von der Verwandtschaft jemand sein, das kann die Erzieherin oder der Fußballtrainer sein. Jemand, zu dem das Kind Vertrauen hat.
Trauerbegleiterin Schmidt-Bommas: Offen mit dem Thema umgehen
SWR1: Wenn der Tod kommt, zum Beispiel durch eine unheilbare Krankheit, wie offen sollen Mama und Papa da sein?
Schmidt-Bommas: So offen wie möglich. Auch da die Dinge beim Namen nennen, nicht sagen, es wird alles gut, sondern sagen, wir versuchen, dass es so wird. Und dann Stückchen für Stückchen erklären. Aber keine falschen Versprechungen machen, sondern auch sagen: "Es kann sein, dass es nicht gut ausgeht". Außerdem abwarten, was die Kinder weiter fragen und im Gespräch bleiben.
Das heißt, nicht die Hoffnung aufgeben, aber ehrlich sein. Kinder spüren, ob das stimmt, was man sagt. Wir schützen das Kind nur, indem wir es begleiten und wenn wir es nicht mit einbeziehen, dann lassen wir es in so einer schwierigen Situation alleine.
Das kann helfen, um die Trauer zu verarbeiten
SWR1: Wenn es passiert ist, wie können Erinnerungen lebendig gehalten werden?
Schmidt-Bommas: Man kann sich Geschichten erzählen. Man kann gucken und aufschreiben, was habe ich vom Papa oder von der Mama, damit es nicht vergessen wird. Die Kinder haben immer etwas von ihren Eltern. Ist es vielleicht die Haarfarbe oder das Grübchen oder dasselbe Lachen? Das ist etwas, was sie nie verlieren werden.
Man kann Erinnerungen schaffen, indem man Sachen behält. Das T-Shirt vom Papa oder von der Mama wird zum Nachthemd oder es wird umgestaltet, als Kissen oder als Kuscheltier.
SWR1: Wichtig sind ja auch Trauergruppen wie die Ihres Vereins. Welche Unterstützung können Sie trauernden Kindern und Eltern geben?
Schmidt-Bommas: Wir haben Kindertrauergruppen, aufgeteilt in verschiedene Altersgruppen. Wichtig ist es für Kinder zu sehen, ich bin nicht alleine. Im Umfeld erlebt man das nicht, dass Mama oder Papa stirbt. Und da sind auf einmal noch eine ganze Menge andere Kinder, denen geht es genauso. Die fühlen genauso, die sind genauso durcheinander. Die haben keine Lust mehr zu lernen, weil sie sich gar nicht mehr darauf konzentrieren können. Da ist man mit Gleichbetroffenen zusammen. Alles ist auf einmal so verständlich für alle.
Dann geht es darum, sich da auch wieder zu trauen und zu lernen. Es kann auch lustig sein. Trotzdem kann man sich austauschen über seine Gefühle und darüber, wann Papa oder Mama fehlen, und das ist sehr oft kreativ. Es geht darum, Trauer zu verarbeiten im wahrsten Sinne des Wortes. Das eben nicht nur aushalten zu müssen, sondern wirklich was tun zu können. Und das ist sehr hilfreich für die Kinder.