Ein Jahr Cannabisgesetz

Warum Cannabiskonsum bei jungen Menschen Psychosen auslösen kann

Stand

Vor einem Jahr ist das Cannabisgesetz in Deutschland in Kraft getreten, wodurch die Regeln für den Konsum gelockert wurden. Doch besonders für junge Menschen kann Cannabiskonsum gesundheitsschädlich sein und womöglich Psychosen auslösen.

Wir sprechen darüber mit Dr. Christoph Gerth, Chefarzt der Abteilung Allgemeinpsychiatrie an der Rheinhessen-Fachklinik Alzey.

Aktuelle Auswirkungen des Cannabiskonsums

SWR1: Die Deutsche Gesellschaft für Suchtmedizin hat eine positive Bilanz gezogen. Durch Drogen hätte es nicht mehr Psychosen gegeben, entgegen allen Befürchtungen. Welche Erfahrungen haben Sie in den vergangenen zwölf Monaten, seit der Cannabis-Teillegalisierung gemacht?

Christoph Gerth: In Hinblick auf die Cannabis-Teillegalisierung, beobachten wir im Moment keine großen Veränderungen. Man muss aber noch einmal darauf hinweisen, dass der eigentliche Effekt dieser Legalisierung wahrscheinlich erst noch kommen wird. Gerade wenn tatsächlich Cannabis flächendeckend auch für mehr Leute verfügbar ist.

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Warum Cannabiskonsum Psychosen auslösen kann

SWR1: Warum ist das so schlecht, gerade für Jugendlichen und für deren Psyche?

Gerth: Ich erkläre das in meinen Präventionsveranstaltungen immer so, dass man das Gehirn an der Stelle mit einem Computer vergleichen kann. Computer haben ein Betriebssystem. Unter diesem Betriebssystem, damit die Festplatte funktioniert, gibt es ein sogenanntes BIOS, ein Basic Input/Output-System. Dieses Basic Input/Output-System im Gehirn ist das System, was alle anderen Betriebssystemen unseres Gehirns kontrolliert.

Das reift in der mittleren Pubertät aus. Und dieser Ausreifungsprozess ist störanfällig. Einer der wichtigsten Störfaktoren dafür ist die Zufuhr von nicht-körpereigenen Cannabinoiden. Das kann zu strukturellen Hirnveränderungen führen. Das geht von Aufmerksamkeitsstörungen, über Gedächtnisstörungen, über Störungen der verbalen Expressionen, bis hin zu Lernstörungen.

Eine manifeste Psychose ist kein Schnupfen für das Gehirn, sondern eine ganz schwere Funktionsstörung.

SWR1: Das heißt, aus psychologischer Sicht ist Cannabis schlecht, insbesondere für die Psyche von jugendlichen Menschen?

Gerth: Es kann zumindest aus psychiatrischer Sicht ganz erhebliche Auswirkungen haben. Das Problem, was wir klinisch haben, ist die Vorhersagekraft. Das heißt, wir haben im Moment keine guten Tools, um vorhersagen zu können, wer ganz besonders negativ betroffen sein wird. Daran arbeiten wir aktuell natürlich.

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Das Problem ist letzten Endes, dass es für diejenigen, die dann wirklich krank werden, richtig verheerend sein kann. Eine manifeste Psychose – wenn ich mich verfolgt fühle oder Stimmen höre – ist kein Schnupfen für das Gehirn, sondern eine ganz schwere Funktionsstörung.

Internationale Studien zur Auswirkung des Cannabiskonsums

SWR1: Und das kommt von Cannabis?

Gerth: Das kann durch Cannabis induziert werden. Das zieht sich letztlich durch sämtliche Daten, die wir dazu kennen. Egal, wo man hinguckt – ob man nach Kanada, Dänemark, England oder Portugal schaut. Also alles Länder, wo der Konsum entweder legalisiert oder gelockert worden ist, da finden wir diese Effekte in den letzten Jahren.

SWR1: Hat die Legalisierung von Cannabis Ihre Arbeit schwerer gemacht?

Gerth: Bisher noch nicht. Ich gehe aber davon aus, dass es so sein wird, dass wir vermehrt mit solchen Patienten zu tun haben. Auch da gibt es erste wissenschaftliche Daten aus Kanada, die darauf hinweisen, dass da ein neuer Patientenstamm entsteht. Was man ganz sicherlich jetzt schon im Ansatz sieht.

Wir hatten die ersten Patienten, die tatsächlich von sich gesagt haben: "Wir haben extra gewartet, bis es legal ist und bis wir alt genug sind. Und wir können gerade nicht verstehen, warum etwas legalisiert wird, was uns dann krank gemacht hat". Das heißt, wir müssen, nachdem was wir aus den internationalen Daten sehen, davon ausgehen, dass auch ältere Menschen, die normalerweise jetzt nicht mehr unbedingt Cannabis konsumieren würden, das in Zukunft wahrscheinlich tun werden.

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Stand
Das Interview führte
Michael Lueg
Michael Lueg
Interview mit
Dr. Christoph Gerth
Onlinefassung
SWR1