Im fünfteiligen Doku-Podcast "Durchgefallen – Warum Schule uns als Gesellschaft spaltet" beginnt Host und Ex-Lehrerin Lisa Graf ihre Suche nach Erklärungen für das Scheitern des Bildungssystems an der Gräfenauschule. Doch die Grundschule in Ludwigshafen ist nur der Anfang, wie sie im Interview erzählt.
Probleme des Bildungssystems
SWR1: Du kennst die Lage in der Gräfenau-Grundschule und die Hintergründe der Kinder: Haben die Sitzenbleiber in unserem Schulsystem eine Chance?
Lisa Graf: Zum jetzigen Stand haben die Sitzenbleiber leider nicht so viele Chancen in unserem Schulsystem, und genau deswegen waren wir auch da und haben den Podcast gemacht.
SWR1: Warum haben sie keine Chancen?
Graf: Sie haben einfach mit unglaublich vielen Herausforderungen zu kämpfen. An der Gräfenauschule ist es so, dass viele Kinder Sprachprobleme haben, noch nicht lange in Deutschland sind, nicht im Kindergarten waren und deswegen einfach in der Schule große Probleme haben, da mitzukommen.
Unser Bildungssystem ist so lückenhaft aufgestellt, dass es nicht in der Lage ist, diese Herausforderungen abzufangen.
Auf der anderen Seite ist unser Bildungssystem so lückenhaft aufgestellt, dass es nicht in der Lage ist, diese Herausforderungen abzufangen. Andere Schulen im Land kämpfen mit anderen Problemen und werden ihren Schülerinnen und Schülern nicht gerecht. Da werden einfach die Lücken des Bildungssystems leider sehr deutlich.
Jetzt den Podcast abonnieren
Podcast Durchgefallen – Wie Schule uns als Gesellschaft spaltet
Der Doku-Podcast „Durchgefallen – Wie Schule uns als Gesellschaft spaltet“ beschäftigt sich mit den Ungerechtigkeiten im deutschen Bildungssystem.
Das Beispiel der Gräfenauschule
SWR1: Es gab an der Gräfenauschule punktuell Unterstützung, zum Beispiel durch Lehrer oder angehende Lehrer. Das hat aber alles nicht geholfen?
Graf: Nein, leider nicht. Wie so oft sind das alles Behelfslösungen gewesen, die ein paar Wochen oder Monate später wieder auslaufen. Oder es ist so, dass sich stark auf eine Herausforderung konzentriert wird und dafür andere Dinge dann wieder hinten hinunterfallen. Das ist aber so ein typisches Symptom von Schulen in herausfordernder Lage, dass sie einfach an allen möglichen Ecken Probleme und Herausforderungen haben.
SWR1: Du warst selbst an einer Brennpunktschule, obwohl du vorher Gymnasiallehrerin warst. Warum hast du ganz bewusst diesen Wechsel gemacht?
Graf: Ich habe schon auf dem Gymnasium gemerkt, dass mir da irgendwie etwas fehlt. Da waren sehr engagierte Eltern im Hintergrund, sehr leistungsstarke Kinder. Ich wusste aber, dass es da noch mehr geben muss und bin dann an einer Schule in herausfordernder Lage gelandet und habe da auch die Gerechtigkeitslücken unseres Bildungssystems im Alltag zu spüren bekommen als Lehrerin.
Lisa Graf hostet den Podcast "Durchgefallen"
SWR1: Was war für dich die größte Erkenntnis bei der Arbeit am Podcast?
Graf: Was ich interessant fand, ist, dass wir nicht nur an der Gräfenauschule waren, sondern auch an Schulen, die die Sprachherausforderungen der Gräfenauschule gar nicht teilen. Und trotzdem haben sie auch solche Probleme und werden ihren Kindern nicht gerecht. Obwohl die Migrationsquote an den Schulen teilweise bei nur 20 Prozent liegt und das also eigentlich nicht die Herausforderung ist. Das war für mich ein Aha-Moment zu sehen: Die Gräfenauschule ist kein Einzelfall, sondern die Spitze des Eisbergs.