Wir haben mit Yvonne Fehling, Professorin für Innenarchitektur an der Hochschule Kaiserslautern, darüber gesprochen, was hinter dem Wohntrend Dopamin Decor steckt – und warum Farben nicht nur schön, sondern auch heilsam sein können.
Dopamin Decor: Was steckt hinter dem bunten Trend?
SWR1: Frau Fehling, Dopamin Decor klingt erstmal ein bisschen nach Medikament. Was genau verbirgt sich dahinter?
Yvonne Fehling: Dopamin Decor beschreibt einen Einrichtungstrend. Dopamin, das kennen viele als sogenannten Neurotransmitter – also als Botenstoff, der zwischen unseren Nervenzellen hin und her wandert. Er ist sehr wichtig für die Entstehung von positiven Gefühlen. Mit Dopamin Decor versucht man, über den bewussten Einsatz von Farben, Mustern oder Formen genau dieses positive Gefühl im Wohnraum zu erzeugen.
Wie Farben auf uns wirken – und worauf man achten sollte
SWR1: Was passiert in unserem Körper, wenn wir intensive Farben wahrnehmen – und wie kommt es, dass das sogar glücklich machen kann?
Fehling: Das ist tatsächlich ein sehr spannendes Feld – die Farbwahrnehmung oder auch Farbpsychologie und das ist eine Wissenschaft für sich. Was passiert da? Es sind physikalische, chemische und auch psychologische Prozesse, die ablaufen. Farben bestehen aus unterschiedlichen Lichtwellen. Diese Wellen – das wissen wir – gelangen durch das Auge ins Gehirn und lösen dort bestimmte Reize aus. Diese Reize wiederum verursachen ein bestimmtes Gefühl oder eine Stimmung. Das bedeutet auch, dass Farben eindeutig Einfluss auf unsere Stimmung, unsere Konzentrationsfähigkeit und sogar auf unser Verhalten nehmen können.
Die Psychologie des Wohnens Was sagt die Art, wie wir wohnen, über uns aus?
Unser Zuhause ist mehr als nur ein Rückzugsort. Es spiegelt unsere Identität wider. Wohnpsychologin Dr. Barbara Perfahl verrät, was unsere Einrichtung über uns aussagt.
SWR1: Wie setzt man Farben konkret für die Gestaltung zu Hause ein? Sollte man jetzt überall kräftige Farben einsetzen – also zum Beispiel ein knallrotes Sofa oder eine gelbe Wand?
Fehling: Da wäre ich eher vorsichtig. Wenn man Lust hat, etwas zu verändern oder es auszuprobieren, kann man erst einmal herausfinden, welche Farben für einen selbst passend und stimmig sind – bevor man gleich eine große Wand knallgelb streicht. Es gibt natürlich Parameter, anhand derer man sagen kann, bestimmte Farben wirken so oder so auf unsere Stimmung. Aber das ist sehr individuell und unterschiedlich. Deshalb ergibt es Sinn, das zunächst für sich zu testen. Wenn man Lust darauf hat, kann man gern experimentieren – zum Beispiel mit einer kleinen Ecke oder einer Farbtafel, die man eine Weile stehen lässt, um zu beobachten, wie man sich damit fühlt. Auch die Fläche spielt eine Rolle: Es macht einen Unterschied, ob ich eine kleine Fläche in einer kräftigen Farbe akzentuiere oder eine ganze Raumseite gestalte. Wenn man das ausprobieren möchte, sollte man sich herantasten.

Mein Credo: sich herantasten, auf die eigene Wahrnehmung hören und nicht einfach das übernehmen, was von außen vorgegeben wird.
Rückzug statt Reizüberflutung: Innenarchitektur wird oft minimalistisch gedacht
SWR1: Diese biologischen oder biochemischen Prozesse, die Sie beschrieben haben, die durch Farben im Körper ausgelöst werden – müssen die auch zum individuellen Geschmack des Menschen passen?
Fehling: Ja, das mit dem Geschmack ist tatsächlich so eine Sache. Oft gibt es äußere Einflüsse – was ist der neueste Trend, was wird gerade empfohlen? Das kann zufällig für einen passen, es kann aber auch sein, dass es nicht zum eigenen, vielleicht sehr persönlichen, Geschmack passt. Oder eben nicht das auslöst, was es eigentlich soll. Und deshalb wäre mein Credo: sich herantasten, auf die eigene Wahrnehmung hören und nicht einfach das übernehmen, was von außen vorgegeben wird.
SWR1: Trotzdem leben die Menschen im Trend. Als Professorin beobachten Sie Studierende an Ihrer Hochschule, haben Sie da den Eindruck, da wird das Leben insgesamt bunter?
Fehling: Das ist eine sehr interessante Frage. Ich erlebe eher ein antagonistisches Verhalten. Wenn es Entwurfsaufgaben gibt, wo wirklich sehr viel Freiraum da ist, sich auszuprobieren, gibt es ganz oft das Bedürfnis nach dem Gegenteiligen, nämlich, dass die Räume bitte ganz ruhig werden. Bespreche ich dann mit den Studierenden, woran das liegen könnte, kommen wir oft dahin, dass ihnen die Welt eh schon so laut erscheint. Also nicht im Sinne von akustisch laut, sondern die viele Breite, die schon allein ständig durch das Internet, das Smartphone, die Verfügbarkeit von Informationen, medialer Präsenz und so weiter da ist – dass es da ein großes Bedürfnis nach Rückzug und nach Beruhigung gibt.