Zu Unrecht, meint auch Peter Jäger, Spinnenforscher am Senckenberg Forschungsinstitut in Frankfurt.
SWR1: Können Sie diese Spinnen-Angst und -Antipathie nachvollziehen?
Peter Jäger: Natürlich kann ich das verstehen. Spinnen sind nicht die aller beliebtesten Tiere und ich weiß auch, dass es natürlich Phobie beziehungsweise Ekel gibt. Dass diese Person nichts dafür können, sollte man einmal deutlich sagen. Meistens ist etwas in der Kindheit passiert und an dieses Ereignis können sich die meisten gar nicht mehr erinnern.
Spinnen mögen es warm
SWR1: Stimmt es denn, dass Spinnen jetzt lieber ins warme Haus krabbeln?
Jäger: Spinnen sitzen nicht im Garten und können auf die Ferne wahrnehmen, wo es warm ist. Wenn es Spinnen um das Haus herum gibt und ein Fenster offen steht, wird sich die Spinne – wie wir wahrscheinlich auch – für das wärmere Klima entscheiden und dann in die Wohnung kommen.
SWR1: Warum kommen sie denn ins Haus?
Jäger: Spinnen sind wechselwarme Tiere. Wenn es irgendwo einen etwas wärmeren Platz gibt, können sie sich dort noch besser bewegen und ihr Leben noch etwas länger in den Winter hinein leben. (...) Es gibt bei uns einige Spinnen, die das ganze Jahr über bei uns vorkommen und unsere Häuser als Höhlen ansehen. Die lieben es nicht in den ganz trockenen und warmen Räumen, sondern eher in den Kellerräumen oder Badezimmern.
Aber es gibt dann halt welche, die jetzt im Herbst reinkommen. Das ist aber eher eine Fehlleitung, weil sie eigentlich draußen überwintern müssten. Sie machen es sich hinter der Rinde, im Laub oder irgendwo, wo es schön kuschelig warm ist, gemütlich. In der Wohnung ist es aber sehr trocken und es gibt dort keine Beute für sie. Das heißt, sie werden dort vertrocknen und sterben.
Keine gefährlichen Spinnen in Rheinland-Pfalz
SWR1: Gibt es denn bei uns in Rheinland-Pfalz Spinnen, die giftig oder gefährlich werden können?
Jäger: (...) Es gibt natürlich große Spinnen bei uns. Aber von den 1.000 Spinnenarten, die es bei uns in Deutschland gibt, ist keine einzige für den Menschen gefährlich. Fast alle haben Gift, es gibt nur zwei oder drei, die kein Gift haben. Das Gift ist natürlich da, um ihre Beute zu lähmen und nachher zu fressen.
Letztendlich gibt es aber nur eine Spinnenart – von der habe ich mich auch beißen lassen – von der man sagt, dass sie einen Schmerz verursacht, den man aushalten muss und der auch zwei Tage lang da ist. Und das ist der Ammen-Dornfinger.

Die Gute Nachricht ist: Dieser Ammen-Dornfinger wird uns nie so begegnen. Dazu müsste man im Spätsommer auf eine Wiese gehen und ein taubeneigroßes Gespinst öffnen und wenn dann eine Spinne herausstürmt und ihre Eier verteidigen will, müsste man den Finger hinhalten.
SWR1: Wenn ich eine Spinne entdecke, wie befördere ich sie am besten nach draußen? Soll ich ein Kehrblech nehmen und sie ganz vorsichtig mit dem Handfeger rausschubsen?
Jäger: Wer das mit dem Kehrblech machen will, geht das. Es geht natürlich auch der Klassiker: Ein Glas über die Spinne stülpen und eine Postkarte oder ein Bierdeckel vorsichtig darunter schieben – und dann raus. Das geht genauso gut. Für diejenigen, die ein bisschen Fingerspitzengefühl haben, geht es auch mit der Hand. Spinnen sind nicht ganz so zerbrechlich, wie man sich das vorstellt. Man kann sie wirklich so fassen, ein leichtes Tuch oder ein Taschentuch nehmen und sie dann damit raussetzen.

Warum Spinnen nützlich sind
SWR1: Als kleine Therapie für alle, die Angst vor Spinnen haben – wie wäre es mit einem kleinen Plädoyer für Spinnen. Warum sind das tolle Tiere?
Jäger: Spinnen sind nützlich. Sie halten uns Schädlinge fern, nicht nur aus der Wohnung, sondern auch in der Landwirtschaft. Und sie haben wunderschöne Kunstwerke – die Spinnennetze. Gerade im Herbst mit dem Tau darauf. Nehmen Sie sich einfach mal Zeit, schauen Sie sich die Netze an. Und ich bin mir sicher, Sie werden die Spinnen nachher lieben.

SWR1: Die sogenannte Nosferatu-Spinne (Kräuseljagdspinne) taucht ab und zu auf. Schon der Name löst Schrecken aus. Werden Sie oft danach gefragt?
Jäger: Der wissenschaftliche Name lautet "Zoropsis spinimana". Das ist eine Kräuseljagdspinne. Der Name beinhaltet, dass sie jagend unterwegs ist, also ohne ein Fangnetz. Deswegen fällt sie viel mehr auf als die vielen Spinnen, die irgendwo in einer Ecke hinterm Sofa sitzen oder vielleicht im Keller.
Sie ist so groß wie unsere Hausspinne, nur die Beine sind ein bisschen kürzer. Die Kräuseljagdspinne ist hellbraun mit Mustern und sieht so ein bisschen aus wie eine Wolfsspinne. Manche nennen sie auch Nosferatu-Spinne, wegen einer Zeichnung auf dem Vorderleib. Ich finde den Namen nicht ganz so passend, vor allen Dingen, da man sich mit der Spinne ein bisschen anfreunden muss, denn wir sie nicht mehr loswerden.
Vom Klimawandel nach Norden verschlagen Nosferatu-Spinne im Raum Karlsruhe und Pforzheim – das hilft bei Spinnenphobie
Erstmals ist die Nosferatu-Spinne in Pforzheim wissenschaftlich nachgewiesen worden – für Menschen mit Angst vor Spinnen keine gute Nachricht. Aber es gibt Hilfe bei Spinnenphobie.
Sie ist vor ungefähr 20 Jahren in Deutschland eingewandert und wird immer wieder eingeschleppt. Wenn es zu einer Population kommt, hat sie die Möglichkeit, sich von dort aus zu verbreiten. Und das geschieht tatsächlich in den letzten Jahren sehr stark, sodass ich viele Anrufe bekomme. Aber die Spinne ist vollkommen ungefährlich und will nur unsere Schädlinge und Lästlinge fressen, wie Silberfischchen, Mücken oder Asseln. Also alle Insekten, die wir nicht so gerne im Haus haben. Von daher sollten wir uns mit dem Gedanken anfreunden, dass sie bei uns bleibt.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Michael Lueg.