Von Hermann Hesse zu Aldous Huxley
1979 ist Peter Maffay eigentlich ein gemachter Mann. Hohe Chartplatzierungen, ausverkaufte Tourneen, Auftritte in der ZDF-Hitparade. Es läuft! Maffay singt auf Deutsch. Wenn es deutschsprachig sein soll, ist der Schlager in den 70er Jahren DAS große Ding in Deutschland. Und Schlager standen damals nicht unbedingt im besten Ruf. Seichte Texte und seichte Musik – beides ohne jeden Anspruch. Damit konnte Maffay zwar sehr viel Geld verdienen – aber als Künstlerseele war er höchstens mit dem Kontostand zufrieden. Nicht aber mit dem Produkt.
Und 1979 zeigt Peter Maffay, dass es auch anders gehen könnte – jedenfalls ansatzweise. Dass es sogar literarisch gehen könnte. Denn jeder, der im Plattenladen steht, identifiziert den Album-Titel "Steppenwolf" selbstverständlich mit Herman Hesse. Dass aber auf dem Album ausgerechnet "So bist Du" zum größten Hit wird, ist wieder mal typisch für den Massengeschmack.
Die Ballade ist nichts anderes als ein Schlager. Und dass Komiker wie Frank Zander, Dieter Hallervorden und Mike Krüger die Ballade auf sehr spezielle Weise covern, sorgt nur noch mehr dafür, dass ein Wechsel schwierig wird. Aber beim nächsten Album wird es wieder einen wichtigen literarischen Aspekt geben. Dort wird dann Aldous Huxley mit seiner düsteren Anti-Utopie "Schöne neue Welt" eine Rolle spielen.
Scheidung vom Plattenlabel – Scheidung von der Ehefrau
Der Wechsel muss also sein. Und der kommt auch. Und das sogar gleich in mehrerlei Hinsicht. Denn 1979 geht die erste Ehe von Maffay in die Brüche. Persönlich steht er vor einem Trümmerfeld. Die Scheidung von Petra Küfner ist teuer, wie die Klatschpresse zu berichten weiß.
Und die Klatschpresse weiß auch zu berichten, dass der Schlagersänger offenbar auf Selbstfindungs-Trip ist. (Er reist in die Sahara und in die Antarktis!) Und dass er eigentlich ein neues Album machen möchte - und zwar ein komplett anders geartetes Album, das in Richtung Rock gehen soll.
Aber auch hierfür muss eine Scheidung her – die mit seiner aktuellen Plattenfirma! Und die findet das überhaupt nicht lustig! Aber Maffay fühlt sich nicht mehr wohl bei Telefunken. Er unterschreibt für angeblich 5,6 Millionen DM einen Vertrag beim schwedischen Label „Metronome“. Er fühlt sich dort viel besser aufgehoben. Das Label gibt ihm künstlerische Freiheit. Er darf den Wandel vom Schlager- zum Rock-Star probieren. Wobei aber zu diesem Zeitpunkt nicht sicher ist, ob das Publikum diesen Schritt überhaupt mitmachen wird.
Hickhack, Gezerre, Angst!
Erst recht will die alte Plattenfirma diesen Schritt nicht mitmachen. Es kommt zu hässlichen Auseinandersetzungen zwischen Telefunken und Metronome – auf dem Rücken von Maffay. In einer Special Edition des Albums "Revanche" aus dem Jahr 2006 gibt es als Bonus-Material ein Interview mit dem Sänger. Und dort beschreibt er den Wechsel von der einen zur anderen Plattenfirma als extrem belastende Zeit. Es habe ein sehr unangenehmes Hickhack gegeben. Stellenweise habe er bei dem ganzen Gezerre sogar Angst gehabt (und er meint wohl die Angst, seine neue LP nicht veröffentlichen zu dürfen).
Aber alles geht gut. Er kann sein Album zu Ende bringen. Und beim Publikum rennt er damit anscheinend offene Türen ein. Das Album "Revanche" wird zum Massenphänomen. Es ist das bis dahin erfolgreichste Solo-Album eines deutschsprachigen Künstlers überhaupt. Denn es verkauft sich weit über eine Million Mal! Er schafft den Wechsel vom Schlagersänger zum ernstzunehmenden Rocksänger. Und wenn er ein langsames Lied macht, ist das jetzt kein Schlager mehr, sondern eine Ballade.
Eine DDR-Ballade wird zum Klassiker
Großen Anteil am Erfolg von "Revanche" hat besonders ein Lied: "Über sieben Brücken musst Du gehen". Maffay hört das Lied 1978 im Radio. Es stammt offenbar von einer DDR-Band: "Karat". Schon 1979 trifft er sich mit der Truppe. Karat dürfen als DDR-Export-Artikel Konzerte im Westen geben. In Wiesbaden kommt es zu einer Begegnung, wo Maffay fragt, ob er diese Ballade covern darf. Er darf! Und das sorgt für einen enormen Popularitäts-Schub – sowohl für Maffay als auch für Karat. Das Lied wird zum Klassiker.
Einen weiteren Anteil am Erfolg hat auch die Stammbesetzung der Musiker rund um Maffay. Denn diese Besetzung folgt ihm zu "Metronome". Auch Schauspieler Volker Lechtenbrink ist wieder mit dabei – diesmal ist er allerdings nur noch für den Text von zwei Liedern verantwortlich (beim Vorgänger-Album waren es noch fünf).
Mal abgesehen von "Never change a winning team": Diese Stamm-Besetzung ist wichtig! In Interviews spricht Maffay bis heute grundsätzlich von "wir" – niemals von "ich". Auch wenn es sein Name ist, der im Vordergrund steht: Er versteht sich selbst immer nur als Teil von einem großen Ganzen. Und dieses große Ganze schafft 1980 einen kompletten Image-Wechsel.
Auch wenn er im Anschluss von "Revanche" als Vorgruppe bei den Rolling Stones bitterböse auf die Schnauze fällt: Maffay ist und bleibt damit endgültig ein etablierter Superstar der deutschen Musik – und das bis heute! Denn auch 40 Jahre nach "Revanche" ist er immer noch einer der erfolgreichsten deutschen Künstler überhaupt.

Peter Maffay - "Revanche"