Sonntag, 19.4.2020, 10 Uhr: SWR1 Leute mit Matthias Horx
Keine Schule, kein Kindergarten, kein Shopping-Bummel und kein Besuch bei Oma: Vieles ist wegen des Coronavirus nicht mehr, wie es einmal war. So kann es ja nicht ewig weiter gehen, denken viele, aber einfach zurück können wir auch nicht. Wie sieht die Zukunft nach dieser Pandemie aber dann aus?
Zukunftsforscher und Gründer des Zukunftsinstitus in Frankfurt, Matthias Horx, sagt bei SWR1 Leute, eine einfache Prognose könne man dazu nicht geben: "Zukunft ist eine Entscheidung und am Ende hängt es von jedem Einzelnen ab, wie die Zukunft aussieht."

Backen statt aufeinander einhacken
Wann ist diese Krise endlich überstanden? Das ist wohl eine der häufigsten Fragen, die der Zukunftsforscher im Moment beantworten muss. "Krisen sind immer irgendwann vorbei oder werden zur Normalität, aber sie verändern uns", sagt Horx. "Diese Veränderungsprozesse finden in uns statt. Wir sind verantwortlich für die Zukunft." So wie vorher werde es also nicht mehr, denn die Erfahrung dieser Krise könne uns niemand mehr nehmen, so Horx.
Dazu gehört seiner Meinung nach auch die Erfahrung, dass man das meiste trotzdem einfach hinbekommt. Die Krise ist da, aber sie ist anders, als wir erwartet haben. "Es ist nicht der Weltuntergang, mit dem wir gerechnet haben. Es ist nicht hacken, sondern backen. Überall ist die Hefe ausverkauft, weil sich alle entschieden haben, Brot backen zu lernen", sagt Horx.
Neues Konsumverhalten durch Corona
Die Corona-Krise hat starke Auswirkungen auf die Wirtschaft. Viele machen sich Sorgen um die zukünftige Wirtschaftslage. Andere sagen, nach der Krise könnte es einen regelrechten Wirtschaftsboom geben. "Es wird zwar ein Konsumnachholbedürfnis geben, aber die Krise führt bei vielen auch zu Nachdenklichkeit", sagt Horx. Viele werden, laut dem Zukunftsforscher, durch die Krise ihr bisheriges Konsumverhalten überdenken.
Horx ist der Meinung, dass die Corona-Krise Probleme im Wirtschaftssystem aufzeigt, die es schon vorher gab. "Ich kenne keinen Wirtschaftsführer, keinen Manager, keinen CEO, der nicht auch sagt, eigentlich hat diese Krise im übertragenen Sinne von einem Druckkochtopf den Deckel weggenommen", sagt der Experte. Viele Wirtschaftszweige, wie etwa die Autoindustrie, seien schon vorher in einer Krise gewesen. Einfach mit unserem System so weiter machen wie bisher, könne man also nicht.
Corona als Übungskrise für den Klimawandel
"Der größte Fehler wäre, zu denken, es wird alles so wie vorher", meint Matthias Horx, "Dann hätten wir in der Tat eine große, sehr lehrreiche Krise einfach verschenkt." Stattdessen solle man aus der Krise lernen und überdenken, ob wirklich Wachstumsraten das einzig Entscheidende sind und ob wir weiterhin so reisen wollen wie bisher. "Können wir uns vorstellen, dass die Menschen zu tausenden wieder in ein Kreuzfahrtschiff steigen würden? Das erinnert uns jetzt eher an ein fahrendes Seuchensanatorium", sagt Horx.
Um aus der Krise zu lernen, braucht es laut Horx einen Bewusstseinswandel. Es gäbe zwar immer Unbelehrbare, die meinen, alles müsse beim Alten bleiben. Viele würden ihr Verhalten jetzt jedoch ändern. "Wir haben ja jahrelang darüber diskutiert, dass man Global Warming gar nicht lösen kann, weil alles was wir tun zu einem Wirtschaftszusammenbruch führt", so Horx. Die Corona-Krise zeige, dass solche Maßnahmen doch möglich sind. "Vielleicht ist die Corona-Krise nur eine Übung für die wirklich große Krise, nämlich die Erderwärmung", gibt der Zukunftsforscher zu bedenken.