Bahnreisende am Karlsruher Hauptbahnhof (Foto: SWR, Sven Huck)

Kritik vom Fahrgast-Verband Pro Bahn

49-Euro-Ticket ist zu kompliziert

Stand
MODERATOR/IN
Claudia Deeg
Claudia Deeg (Foto: SWR)

Geht es nicht einfacher? Das Deutschlandticket kommt, und es bleibt kompliziert. Worauf sich Bahnfahrer einstellen müssen und welche Probleme in Rheinland-Pfalz angepackt werden müssten, erzählt Martin Mendel vom rheinland-pfälzischen Fahrgast-Verband Pro Bahn im SWR1 Interview.

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SWR1: Was nervt die meisten Menschen bei der Bahn beziehungsweise im ÖPNV? 

Martin Mendel: Ganz konkret auf das Deutschlandticket gemünzt ist es gerade schwierig, dass man das Deutschlandticket an so vielen verschiedenen Stellen erwerben kann mit so vielen verschiedenen Tarifbedingungen. Wir sind noch nicht ganz auf dem Weg der Einheitlichkeit, wo wir eigentlich hin wollten. Wenn Sie von Mannheim nach Hamburg mit dem Regionalexpress fahren wollen, haben Sie keine einheitlichen Tarifbedingungen.

SWR1: Trotzdem muss man aber doch sagen: Es wäre vor Jahren wahrscheinlich unvorstellbar gewesen, dass es ein Deutschlandticket überhaupt gibt, oder?

Mendel: Absolut. Es ist wirklich ein großartiger Erfolg, das darf man nicht unter den Teppich kehren. Das ist eigentlich das Kernstück, wofür der Fahrgastverband vor über 30 Jahren gegründet wurde: ein einheitliches Ticket.

SWR1: Aber Sie sagen, es ist eben noch nicht einfach genug.

Mendel: Genau. Bei dem Thema Fahrradmitnahme und Kindermitnahme sind tatsächlich die Tarifverbünde noch die Hoheitsgeber und haben unterschiedliche Bedingungen.

Überfüllte U-Bahn-Haltestelle: Tägliches Pendeln bedeutet für viele Menschen Stress (Foto: IMAGO, imago images / Future Image)
Tägliches Pendeln bedeutet für viele Menschen Stress

SWR1: Aber glauben Sie nicht, dass vor allem diejenigen dieses Ticket nehmen werden, die sowieso schon Bus und Bahn fahren?

Mendel: Ja, und meine große Hoffnung ist tatsächlich ein gewisser "Mitnahmeeffekt". Wir haben ja jetzt schon die ersten offiziellen Zahlen: Jeder Zehnte hat sich bereits ein Deutschlandticket geholt. Das heißt, wir haben hier schon noch den einen oder anderen, der sich das Deutschlandticket mal dazu gekauft hat. Gerade für die Sommerferien ist das eine schöne Aussicht, sich einfach mal in den Zug setzen zu können. Wir hoffen gleichzeitig aber auch, dass es nicht ganz so viel chaotische Zustände gibt, wie damals im letzten Jahr beim 9-Euro-Ticket.

SWR1: Sind solche chaotischen Zustände wieder zu befürchten?  

Mendel: Ich glaube nicht. Beim 9-Euro-Ticket war es letztes Jahr die Zeit, als wir alle nach Corona raus wollten, auch in großen Gruppen. Und das Wetter hatte mitgespielt. Dieses Jahr haben wir uns an die neue Freiheit wieder gewöhnt. Sicherlich wird es in den Sommerferien ein bisschen voller in den Zügen. Aber ich glaube nicht, dass es wieder so extrem viel mehr Verkehr erzeugen wird, wie damals. 

Gerade bei der Verlässlichkeit sind wir in den letzten Jahren Schlimmstes von der Deutschen Bahn und auch von anderen Verkehrsbetrieben im ÖPNV gewohnt. 

SWR1: Ist nicht vor allem die Verlässlichkeit das Entscheidende, damit sich Menschen vom Auto verabschieden und in den ÖPNV locken lassen? 

Mendel: Ganz erheblich. Aber man darf nicht alles glauben, wenn es heißt:  "Wäre alles ganz kostenlos, würden noch viel mehr Leute mitfahren." Das sehen wir gerade in Luxemburg. Da ist die Nutzung des ÖPNV kostenlos. Das klappt dann auch nicht so einfach. Es braucht auch ein gutes Angebot, vor allem wenn ich mal umsteigen muss. Gerade bei der Verlässlichkeit sind wir in den letzten Jahren Schlimmstes von der Deutschen Bahn und auch von anderen Verkehrsbetrieben im ÖPNV gewohnt.

Hunsrück, Westerwald, Eifel – dort habe ich eine Brachlandschaft.

SWR1: Sie fordern vor allem in Rheinland Pfalz den Ausbau der Schieneninfrastruktur, zum Beispiel einen viergleisigen Ausbau zwischen Mainz und Frankfurt. Geht es eigentlich immer nur um die Ballungszentren? Haben wir das Land und die Anbindung der Regionen schon abgeschrieben?

Mendel: Nein, auf gar keinen Fall. Wir brauchen beides. Wir haben in Rheinland-Pfalz, gerade in Mainz, auf dem Rhein-Korridor eine unheimliche Belastung. Da geht es um das Thema verschiedene Züge mit verschiedenen Geschwindigkeiten, die sich gegenseitig blockieren. Da müssen wir Verkehr entflechten. Wir müssen aber auf der anderen Seite im Land überhaupt erst mal Angebote schaffen. Da sieht es ganz düster aus, gerade im Norden von Rheinland-Pfalz. Da wurde über Jahrzehnte nichts gemacht. Hunsrück, Westerwald, Eifel – dort habe ich eine Brachlandschaft.

Aber auch im Süden von Rheinland-Pfalz, wo es ein bisschen besser aussieht mit dem Verkehrsangebot, auch da muss was geschafft werden, beispielsweise zwischen Landau und Germersheim. Das sind zwar zwei große Knoten, aber zwischendrin ist Peripherie oder kleinere Örtchen, und auch die sollten hier angebunden werden.

Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.

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